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Unruhe im Stillen Ozean

Politische Instabilität in Südsee-Inselreichen / Tonga jüngstes Beispiel

Von Wolfgang B. Kleiner *

Nach den gewalttätigen Unruhen in Tonga sind am Wochenende 150 Soldaten und Polizisten aus Australien und Neuseeland in dem kleinen Südseestaat eingetroffen. Die Regierung hatte angesichts der Zusammenstöße den Ausnahmezustand verhängt.

Acht Tote mussten unter Trümmern geborgen werden, nachdem Ende letzter Woche Demonstranten plündernd durch die Straßen von Tongas Hauptstadt Nuku´alofa gezogen waren und die Wut an den Geschäften reicher Tonganer, an Regierungsgebäuden, auch an einem Supermarkt, der dem Premierminister gehört, ausgelassen hatten. Der Zorn der Massen hatte sich an der kurzfristigen Absage der letzten Parlamentssitzung für 2006 entzündet, in der längst überfällige politische und soziale Reformen beraten werden sollten.

Doch der Konflikt schwelt schon lange im Südsee-Königreich. Der König und die Adelskaste besitzen faktisch fast das ganze Land und sind für örtliche Verhältnisse immens reich, während die 100 000 Untertanen meist bescheiden von Landwirtschaft für den Eigenbedarf leben müssen – oder zur Auswanderung gezwungen sind. Auch von tatsächlicher Demokratie kann keine Rede sein. Denn nur neun von 30 Abgeordneten werden vom Volk gewählt, der Rest sind vom König ausgewählte Adelige, die üblicherweise auch die Ministerämter zugeschoben bekommen.

Inzwischen hat das Parlament beschlossen, bei den nächsten Wahlen im Jahr 2008 insgesamt 21 Abgeordnete durch das Volk bestimmen zu lassen.

Eine Demokratiebewegung gibt es in Tonga seit über 15 Jahren. Nach einigen größeren friedlichen Demonstrationen gegen Korruption und Fehlentscheidungen in der Regierung hat sich die Obrigkeit offenbar mit dieser außerparlamentarischen Opposition abgefunden, nachdem die Organisation in ihrer Anfangszeit vom ruppigen Polizeiapparat bespitzelt und schikaniert worden war. Da der alte König Tupou IV. beinahe wie ein Heiliger im Land verehrt wurde, klingt eine Forderung der »Temokaliti« fast naiv: Der König möge sich aus dem Regierungsgeschäft zurückziehen und sich auf eine Übervaterrolle beschränken, damit er nicht durch eigene politische Fehlentscheidungen in seiner Autorität geschwächt werde. Ein vollständig vom Volk gewähltes Parlament, das dann den Regierungschef bestimmt, stand auch auf der Wunschliste.

Erst nach dem Tode Tupous IV. vor zwei Monaten konnte im Land offen über Reformen gesprochen werden. Thronfolger Siaosi Tupou V. hat zwar bereits kleinere Schritte in Aussicht gestellt, doch fehlt ihm noch die unangreifbare Autorität, die sich sein Vater in 41 Amtsjahren aufgebaut hatte. Mit den ausländischen Polizisten und Soldaten soll nun auch dem befürchteten Zerfall des Staates Tonga entgegengewirkt werden.

Ein solches Schicksal erleben die Salomonen seit 1997. Ständige Regierungswechsel und ethnische Spannungen führten dort zu bürgerkriegsartigen Zuständen und Gesetzlosigkeit. Auch die zu Hilfe gerufenen ausländischen Truppen konnten das Problem nicht lösen. Es kommt immer wieder zu Gewaltausbrüchen.

Seit Jahren instabil sind die parlamentarischen Mehrheiten auf den Cook-Inseln. Es ist dort für Abgeordnete üblich, für politische Zugeständnisse oder durch direkte Bestechung die Partei zu wechseln. Deshalb gibt es fast jährlich Regierungswechsel. Die Käuflichkeit der Stimmen ist auch auf Tahiti in Französisch-Polynesien ein tägliches Problem – die Parlamentsmehrheit hat nur eine Stimme mehr als die Opposition. Gerade erst haben vier Abgeordnete bei der Haushaltsdebatte finanzielle Zugeständnisse für ihre Heimatinseln mit der Drohung eines Lagerwechsels erpresst.

Zur Instabilität der öffentlichen Ordnung Tahitis tragen auch ständige Blockadeaktionen und Streiks durch Regierungsgegner bei. Erst kürzlich wurde für eine Woche der gesamte Autoverkehr in und aus der Hauptstadt Papeete blockiert, es kam zu Versorgungsengpässen. Das französische Hochkommissariat ließ die Demonstranten gewähren, denn Tahitis Regierungschef Oscar Temaru ist wegen seiner Unabhängigkeitsforderung bei Frankreichs Obrigkeit unbeliebt. Die Demontage des Premiers ist da willkommen. Touristen mussten während der Straßenblockade ihre Koffer zu Fuß in die Hauptstadt schleppen.

Um über 30 Prozent sei der Tourismus in den letzten Wochen auch auf Fidschi zurückgegangen, hieß es aus Suva. Hintergrund: Der Armeechef hatte einen Putsch angekündigt. Regierungschef Laisenia Qarase wollte eine Amnestie für die Putschisten des Jahres 2000 durchsetzen, doch hatte der heutige Armeechef damals den Coup niedergeschlagen. Nun sah er sich durch die Amnestie verraten.

* Aus: Neues Deutschland, 21. November 2006


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