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Hilfe für Putschisten

Wahlkampf in Paraguay: Deutsche Regierung empfängt in Berlin Außenminister der De-facto-Regierung

Von Lena Kreymann *

Gut einen Monat vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in dem südamerikanischen Land reist Paraguays Außenminister José Fernández Estigarribia in diplomatischer Mission nach Deutschland, wie das Auswärtige Amt gegenüber der jungen Welt bestätigte. Paraguayischen Medien zufolge ist am 14. März ein Treffen mit dem deutschen Außenminister und FDP-Politiker Guido Westerwelle geplant. Mit diesem Treffen erkennt die deutsche Regierung die Putschisten aus Asunción als legitim an und stellt sich hinter sie. Damit bestätigt sie die Rückendeckung, die von ihrer Seite bereits unmittelbar nach dem in Lateinamerika als parlamentarischer Staatsstreich verurteilten Sturz des Präsidenten Fernando Lugo am 22. Juni 2012 kam: Am darauffolgenden Tag besuchte der deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) den illegitimen Nachfolger Lugos, Federico Franco, und ließ sich mit diesem lächelnd und händeschüttelnd ablichten. Im Anschluß erklärte er, seinem ersten Eindruck nach sei der Amtswechsel »nach den Regeln der Verfassung« abgelaufen.

Kalter Putsch

Der Putschregierung dürfte die Unterstützung so kurz vor den Wahlen sehr gelegen kommen, denn in Lateinamerika steht sie außenpolitisch weitgehend isoliert da. Insbesondere Venezuela, Bolivien, Ecuador und Argentinien verurteilten den Straatsstreich von Anfang an aufs schärfste. Kurz danach schlossen die lateinamerikanischen Staatenbündisse UNASUR und Mercosur Paraguay aus Protest gegen die Ereignisse aus.

Der 2008 zum Staatschef gewählte Fernando Lugo war im Juni 2012 von der rechten Parlamentsmehrheit mit einem Amtsenthebungsverfahren im Schnelldurchlauf gestürzt worden, nachdem die rechtsliberale PLRA aus dem Wahlbündnis Frente Guasú ausgetreten war und den Abwahlantrag unterstützte. Als Vorwand diente eine Schießerei bei der richterlich angeordneten Räumung eines Landguts in Curuguaty an der Grenze zu Brasilien, bei der sechs Polizisten und elf Landarbeiter ums Leben kamen. In der Bevölkerung führte die Absetzung Lugos zu anhaltenden Protesten. Den rechten politischen Kräften war der frühere Bischof dagegen schon lange ein Dorn im Auge gewesen, selbst wenn er nur wenige fortschrittliche Reformen umsetzen konnte, darunter die Einführung eines kostenlosen Gesundheitssystems. Weitere Schritte scheiterten, da die Frente Guasú nicht über eine eigene Parlamentsmehrheit verfügte und vermeintlich radikale Ansätze in dem sehr heterogenen Bündnis mit liberalen Kräften blockiert wurden.

Wahlkampf

Zum ersten Mal seit dem Putsch wählen die Paraguayer am 21. April nun ihre Regierung wieder selbst. Mit dem Kandidaten Aníbal ¬Carrillo ¬Iramain tritt auch Lugos Bündnis Frente Guasú wieder an. Es setzt sich zusammen aus acht linken Parteien, darunter die Kommunistische Partei Paraguays. Bei Umfragen erreicht die Allianz bislang nur wenige Prozentpunkte, Wahlkampfleiter Ricardo Carese ist sich jedoch eines »sehr guten Resultats« sicher, die Stimmen für Carillo stiegen tendenziell an. »Unsere Strategie ist sehr einfach, wir suchen den direkten Kontakt mit der Bevölkerung, denn dort sind alle, die wir zu gewinnen haben«, sagte er gegenüber dem venezolanischen Radiosender La Radio del Sur. Lugo selbst tritt lediglich als Senator an. Bereits im November hatte Franco angekündigt, eine Präsidentschaftskandidatur Lugos zu verhindern und zudem keine Wahlbeobachtung durch Gesandte der UNASUR zuzulassen. Das Staatenbündnis beschloß, dennoch Beobachter zu schicken, auch wenn das Regime diesen die diplomatische Immunität verweigert.

Als weitere linke Wahlbündnisse treten die feministische Kuña Pyrenda und Avanza País, eine Abspaltung der Frente Guasú, an. Im Vorfeld konnte zwischen den drei Gruppierungen keine Einigung über eine Zusammenarbeit erzielt werden. In den Umfragen führen gegenwärtig Efraín Alegre von der PLRA und der Unternehmer Horacio Cartes von der Colorado-Partei, die von 1947 bis 2008 durchgehend regiert hatte und der auch der langjährige Diktator Alfredo Stroessner angehörte.

Der Schulterschluß der FDP und ihrer Minister mit an die Macht geputschten Politikern in Lateinamerika ist nichts Neues. 2009 hatte die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung den Staatsstreich gegen den Mitte-Links-Präsidenten Manuel Zelaya in Honduras begrüßt.

* Aus: junge Welt, Freitag, 8. März 2013


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