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Minister politisch verfolgt

Paraguay: Abgeordnete sägen am Stuhl des Militärchefs. Gemeint ist Präsident Lugo

Paraguays Verteidigungsminister Luis Bareiro Spaini droht ein politischer Prozeß. Die Abgeordneten der Deputiertenkammer in Asunción beschlossen am Donnerstag (Ortszeit), ein solches Verfahren wegen »schlechter Amtsführung« einzuleiten, nachdem aus einer Kaserne der Streitkräfte drei Maschinenpistolen gestohlen worden waren. Der von zwei oppositionellen Parlamentariern eingebrachte Antrag muß noch vom Senat mit Zwei-Drittel-Mehrheit bestätigt werden.

Minister Spaini wies gegenüber dem staatlichen Fernsehen alle Vorwürfe zurück. Es gäbe keinen Grund für das Verfahren, aber er sei gut auf seine Verteidigung vorbereitet, falls diese nötig werden sollte. Schon zuvor hatte sein Ministerium in einem offiziellen Kommuniqué erklärt, die »politische Verfolgung« durch die Opposition habe das Ziel, die engere Umgebung von Staatspräsident Fernando Lugo »zu schwächen und aufzulösen«. Die Abgeordneten folgten »hegemonialen ausländischen« Interessen, die »klar gegen die Unabhängigkeit und Würde Paraguays« gerichtet seien. Diese Ansicht teilt auch die Kommunistische Partei Paraguays (PCP), die sich in einer Erklärung mit Spaini solidarisierte: »Sie können die patriotische, demokratische und ehrbare Haltung des paraguayischen Militärchefs nicht tolerieren, der öffentlich die Einmischung von US-Botschafterion Liliana Ayalde in innere Angelegenheiten unseres Landes verurteilt hat.«

In diesem Zusammenhang warnte auch der argentinische Politologe Atilio Borón vor einem drohenden »institutionellen Putsch« in Paraguay. Der derzeit schlechte Gesundheitszustand des Staatschefs diene den Parlamentariern als Vorwand, Lugo auf formalrechtlich korrekte Weise abzusetzen. Der Präsident müsse sich mit der »primitivsten und korruptesten Rechten Lateinamerikas« auseinandersetzen, so Borón.

Fernando Lugo konnte mit seinem Wahlsieg am 20. April 2008 die mehr als sechs Jahrzehnte andauernde Herrschaft der Colorado-Partei in diesem südamerikanischen Land beenden. Seine Reformvorhaben im Interesse der armen Bevölkerungsmehrheit werden jedoch immer wieder von den bürgerlichen Parteien blockiert, die im Parlament die Mehrheit haben. Anfang August wurde offiziell mitgeteilt, daß beim Präsidenten Lymphknotenkrebs diagnostiziert worden sei. Dieser habe jedoch gute Heilungschancen und hindere den Staatschef nicht an der Amtsausübung, hieß es.

* Aus: junge Welt, 21. August 2010


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