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Asuncíon streut Kriegsgerüchte

Paraguays Medien unterstellen Bolivien Angriffspläne

Von Benjamin Beutler *

Knapp drei Monate nach dem kalten Putsch gegen Expräsident Fernando Lugo sucht Paraguays Elite händeringend nach einer Rechtfertigung für die Absetzung des linksorientierten Befreiungstheologen. Ende Juni hatte der von konservativen Kräften kontrollierte Senat Lugo in nur zwei Tagen wegen mangelhafter Amtsführung entmachtet. Der Vorgang wird von der Mehrheit der südamerikanischen Länder als Bruch der demokratischen Ordnung gewertet und hat unter anderem zum Ausschluß auf Zeit aus dem Regionalbündnis Mercosur geführt.

In einem vielbeachteten Leitartikel der konservativen Tageszeitung ABC Color wurde der Bevölkerung nun eine wahrlich wirre Geschichte aufgetischt. Das Nachbarland Bolivien, erklärte das landesweit verkaufte Blatt, plane einen Angriffskrieg. »Wie Hitler zu seinen Zeiten hat auch Präsident Evo Morales seit seiner Machtübernahme eine systematische politische Indoktrinierungskampagne der Streitkräfte des Landes begonnen«, läßt die Bild-Zeitung Paraguays die Alarmglocken schrillen. Mittels »marxistischem Ideologie-Müll« und der Hilfe »seines Mentors und Verbündetem, dem marxistisch-bolivarischem Hugo Chávez« aus Venezuela bereite Morales ein »persönliches Abenteuer« vor.

Im Kopf habe Boliviens Staatsoberhaupt die »Annektierung der paraguayischen Chaco-Region«, hetzt ABC munter weiter. Morales sehe sich als »rechtmäßiger Nachfolger seiner Inka-Vorfahren« und wolle die »vergangene imperiale Größe des Tahuantinsuyo« – das Inka-Reich vor der spanischen Eroberung – mit Gewalt wiederherstellen. Was den Nazis der Versailler Vertrag war, sei der »Regierung vom Altiplano-Hochland« die Niederlage und Gebietsverluste aus dem Chaco-Krieg von 1932 bis 1935. Darum führe La Paz eine »neue militärische Aggression« im Schilde. Auch heute noch, malt das Hausblatt der heimischen Großgrundbesitzerclans das alte Feindbild vom brutalen Anden-Inka an die Wand, müßte Paraguay dem »starrköpfigen Gegner und der feindlichen Natur« der Bolivianer die Stirn bieten. Darum sei die Absetzung von Lugo höchste Zeit gewesen. Selbst nach seiner Vertreibung aus dem Präsidentenpalast führe der »Antipatriot« seine »Kampagne gegen die Verbesserung der militärischen Kapazitäten unseres Landes« weiter, wird der aus dem Amt Gejagte als unverbesserlicher Vaterlandsverräter und Türöffner für die marxistische Gefahr verteufelt.

Den Hintergrund zu diesem bestellten Säbelrasseln bildet das gespannte Verhältnis zwischen Militär und neuer Staatsführung. Mit Personalwechseln und mehr Geld für Rüstung soll Ruhe einkehren. So ernannte De-Facto-Präsident Federico Franco am Dienstag einen neuen Chef der Streitkräfte. Gründe für den Führungswechsel nannte der als Nachfolger Lugos Eingesetzte keine. In der Tageszeitung Ultima Hora war zu lesen, der bisherige Armeechef General Felipe Melgarejo Recalde habe wegen möglicher Illoyalität seinen Posten räumen müssen. Während der Juni-Krise um das Amtsenthebungsverfahren gegen Lugo habe »eine Gruppe von Militärs die Absicht gehabt, sich hinter den Exbischof zu stellen«, beruft sich die Zeitung auf Armeekreise.

Ob Zufall oder nicht, Malgarejo konnte damals nicht ins Geschehen eingreifen, da er sich auf einer Auslandsreise befand. Mit Miguel Christ Jacobs ist nun erstmals in der Geschichte des Landes ein Luftwaffengeneral an die Armeespitze aufgestiegen.

Daß Christ ein lupenreiner Karrierist ist, beweist sein Verhalten im Juni. Als der Ausgang des Amtsenthebungsverfahrens gegen Lugo noch ungewiß war, reichte der Berufssoldat sein Rücktrittsgesuch ein, berichtet Ultima Hora. Wäre der Sturzversuch gescheitert, hätte Christ eine weiße Weste gehabt. Kaum rückte Franco an die Macht, meldete sich der Pilot wieder zum Dienst. Passend zur Angstkampagne der Lugo-Gegner, Asunción würde von Caracas ferngesteuert, verbreitete er die Geschichte, Venezuelas Botschafter und Außenminister hätten die Militärführung zum Widerstand gegen die Lugo-Absetzung aufgerufen.

Die Militärs lassen sich ihre Unterstützung für die Putschisten nun versüßen. Geplant ist der Kauf von Kampfflugzeugen, Radargerät und Militärfahrzeugen aus Spanien und Israel und die Erhöhung des Militäretats um 568 Millionen US-Dollar. Geld dafür soll über Kredite oder Einnahmen aus dem Betrieb des Wasserkraftwerks Itaipú kommen.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 13. September 2012


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