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Lugo unter Druck

Rechte Opposition und US-Botschaft treiben Paraguays Regierung vor sich her. Vergleiche mit Putsch in Honduras

Von Santiago Baez *

Der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), José Miguel Insulza, hat am Montag (20. Sep.) bei einer Pressekonferenz mit Paraguays Staatschef Fernando Lugo Vergleiche zwischen der politischen Lage in dem südamerikanischen Land und dem Putsch in Honduras zurückgewiesen. »Paraguay ist weit von einem Zusammenbruch der Institutionen entfernt, wie er sich in Honduras ereignet hat. Die Probleme Paraguays drehen sich um ein oder zwei nicht gelöste Themen, die nicht als Grundlage einer allgemeinen Krise gewertet werden können«, erklärte der Diplomat. Lugo seinerseits räumte ein, der »Reformprozeß« sei »nicht frei von Spannungen«.

Tatsächlich gleicht die Regierung des früheren Bischofs, die 2008 mit großen Hoffnungen auf Veränderungen angetreten war, jedoch zunehmend einer Getriebenen. Erst vor wenigen Tagen sah sich der aufgrund einer Krebserkrankung ohnehin geschwächte Staatschef gezwungen, die gesamte Spitze der Streitkräfte auszutauschen. Auch wenn dies mit einem »Prozeß der Reorganisation« von Armee und Luftwaffe begründet wurde, waren der eigentliche Hintergrund dieser Entscheidung offensichtlich die anhaltenden Putschgerüchte im Land. Das bestätigte indirekt auch der neue Generalstabschef Felipe Benicio Melgarejo, der am Rande seiner Vereidigung erklärte, die Umbesetzungen müßten »niemanden beunruhigen«. Wer den Befehlen des obersten Befehlshabers, des Staatspräsidenten, nicht folgen wolle, »muß einen Schritt zur Seite tun und um seine Entlassung bitten«.

Tatsächlich jedoch mußte sich Lugo im August von seinem Verteidigungsminister Luis Bareiro Spaini trennen, der nach einer Kampagne der rechten Opposition im Parlament und der ihr mehrheitlich nahestehenden Presse seinen Rücktritt erklärte. Der Minister war in das Visier seiner Gegner geraten, nachdem er in einem für Paraguay bis dahin ungekannten Maß auf die Souveränität des Landes gepocht und Einmischungsversuche der US-Botschaft in Asunción zurückgewiesen hatte. Vor allem die Entscheidung Bareiros und Lugos im vergangenen Jahr, den USA die zeitweilige Stationierung von 500 Soldaten für Militärübungen zu verweigern, hatte Washington alarmiert. Nun aber können die nordamerikanischen Militärs ihre »Nuevos Horizontes« titulierten Manöver offenbar wieder aufnehmen. Das jedenfalls kündigte US-Botschafterin Liliana Ayalde am Donnerstag an, wie der Rundfunksender ZP-30 berichtete. Mit dem jetzigen Verteidigungsminister Cecilio Pérez Bordón hätten sich die Beziehungen zwischen den USA und Paraguay wesentlich verbessert, freute sich die Diplomatin.

Für weitere Unruhe sorgt außerdem eine ominöse »Paraguayische Volksarmee« (EPP), eine Schätzungen zufolge nur ein Dutzend Mitglieder starke Guerilla, die in der Linken des Landes praktisch keinen Rückhalt hat und von manchen sogar als Geheimdienstoperation eingeschätzt wird, da die Aktionen dieser Gruppierung regelmäßig als willkommene Begründung für Aktionen des paraguayischen Militärs dienen. Am Dienstag (21. Sep.) aber hat die Gruppe in einem Schreiben den »wandelnden Leichnam« Fernando Lugo sowie dessen als »oligarchen Hund« bezeichneten Innenminister Rafael Filizzola offen mit dem Tod bedroht. Beide könnten sich »an keinem Ort sicher« fühlen, heißt es in dem an Informationsminister Augusto dos Santos gerichteten Text. »Wir werden euch teuer für das Blut unserer Gefallenen zahlen lassen. Paßt auf euch auf, wenn ihr in euren Luxusautos zum Abendessen ausfahrt, und in den feinen Restaurants, die ihr besucht. Ihr werdet sehr bald von uns hören«, heißt es in der Drohung, die auf dem E-Mail-Konto des Regierungssprechers einging. Gleichzeitig versucht die Opposition jedoch immer wieder, der Regierung Verbindungen mit der EPP nachzusagen. So behauptet derzeit die christdemokratische Oppositionspartei Patria Querida, Katastrophenschutzminister Camilo Soares von der marxistisch orientierten P-MAS nutze die Strukturen seiner Behörde, um die EPP »logistisch und finanziell« zu unterstützen. Die Partei weist das natürlich scharf zurück: »Es ist lächerlich, daß eine an der Regierung beteiligte Partei wie die P-MAS mit Ressourcen des Staates eine terroristische Organisation logistisch unterstützen soll, die eben diese Regierung stürzen will.«

* Aus: junge Welt, 24. September 2010


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