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Panamas Nebelbomben

Regierung des US-Vasallen macht sich zur Speerspitze gegen Venezuela in Lateinamerika. Staatschef Martinelli will mit Hetze im Wahlkampf punkten

Von Volker Hermsdorf *

Mit einem Aufruf zu Dialog und Frieden haben die Außenminister der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) am gestrigen Mittwoch ihre zweitägigen Besuch in Venezeula beendet. Die zwölf Mitgliedsstaaten des regionalen Bündnisses warnten vor äußerer Einmischung und appelierten an die Opposition, sich an dem von Präsident Nicolás Maduro geforderten Friedensdialog zu beteiligen. Chiles neuer Außenminister Heraldo Muñóz wies außerdem die Diffamierung Venezuelas als »Diktatur« zurück. »Hier gibt es eine demokratisch gewählte Regierung«, unterstrich er.

Andere heizen den Konflikt weiter an. Parallel zum Gipfel in Caracas veranstaltete die neoliberale »Internationale Stiftung für die Freiheit« (FIL) mit Unterstützung von »Nichtregierungsorganisationen« aus Lateinamerika und Europa – unter ihnen die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung – in der Universität von Lima (Peru) einen Aufmarsch von Gegnern der Regierung Venezuelas. Mit dabei: die ultrarechte venezolanische Oppositionspolitikerin María Corina Machado. Diese war am vergangenen Freitag in Washington mit dem Versuch gescheitert, die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zu einem Forum gegen Maduro zu machen. Mit 22 gegen elf Stimmen entschied die OAS, die Sitzung ihres Ständigen Rates hinter verschlossenen Türen abzuhalten. »Der Zweck dieses Treffens ist es nicht, sich in einen Zirkus zu verwandeln«, begründete Brasiliens Vertreter Breno Días Da Costa die Entscheidung.

Den Auftritt Machados hatte die Regierung Panamas ermöglicht, die sie offiziell als ihre »stellvertretende Repräsentantin« akkreditierte. Für die Politikerin hatte das inzwischen die Folge, daß sie in Venezuela ihr Abgeordnetenmandat verlor – die Verfassung des Landes verbietet Abgeordneten ausdrücklich, von ausländischen Regierungen Ämter, Ehrungen oder Zahlungen anzunehmen, ohne daß dies zuvor vom Parlament genehmigt wurde. Doch auch für Panama, das sich in Lateinamerika am heftigsten gegen Caracas engagiert, war dies schon die zweite Abfuhr. 14 Tage zuvor hatte das Land die OAS bereits vergeblich aufgefordert, »Aktionen zu Venezuela« zu unternehmen (junge Welt berichtete).

Für den Eifer, mit dem sich Panama derzeit für die Dämonisierung Venezuelas einsetzt, sehen Experten mehrere Gründe. So bestreitet der Verfassungsrechtler Miguel Antonio Bernal von der Universität Panama die Behauptung des panamaischen OAS-Botschafters Arturo Vallerino, seiner Regierung ginge es »nur um die Verteidigung der Menschenrechte, der Meinungs- und der Versammlungsfreiheit«. Der Jurist erinnerte in der britischen BBC untzer anderem an die gewaltsame Unterdrückung von Streiks der Bananenarbeiter und an das brutale Vorgehen des Regimes gegen Proteste der indigenen Bevölkerung.

Der auf Völkerrecht spezialisierte Rechtsanwalt Julio Berrios glaubt, daß Panama lediglich der Erfüllungsgehilfe der USA ist: »Wenn Washington den Antrag (gegen Venezuela) selbst in der OAS eingebracht hätte, dann hätte sich der gesamte Kontinent erhoben.« Da das mit US-Militärbasen gespickte Nachbarland Kolumbien als mögliches Aufmarsch- und Nachschubgebiet einer militärischen Intervention nicht frühzeitig ins Blickfeld der Weltöffentlichkeit gerückt werden solle, habe Panama den Part der diplomatischen Attacken übernommen. Und der Verfassungsrechtler Miguel Antonio Bernal vermutete im Gespräch mit der BBC Wahlkampftaktik des Staatschefs: »Ricardo Martinellis Partei glaubt, daß sie mit Angriffen auf Venezuela punkten kann und will damit wenige Wochen vor den Wahlen von eigenen Skandalen ablenken.« Am 4. Mai werden in Panama der Präsident, das Parlament und die Kommunalvertretungen gewählt. Die Regierungspartei »Cambio Democrático« (CD) steht wegen rasant steigender Lebenshaltungskosten, einer zunehmenden Kriminalitätsrate, mehrerer Korruptionsskandale und der Nähe zum Drogenhandel in der Kritik. Als brisant gelten die Verwicklung des Präsidenten in einen Rüstungsdeal mit dem italienischen Konzern Finmeccanica, bei dem 23 Millionen Dollar Schmiergelder geflossen sein sollen, sowie seine möglichen Verbindungen zu Silvio Berlusconis Prostitutionsaffären. Da Martinelli italienischer Staatsbürger ist, droht ihm jetzt sogar eine Vorladung nach Rom. Obwohl der millionenschwere Inhaber der größten Supermarktkette des Landes nicht erneut kandidiert, kommt sein Ansehensverlust der Partei ungelegen. Deshalb werfe Martinelli jetzt »jede Menge Nebelbomben«.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 27. März 2013


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