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Staatsvertrag mit Ramallah

Der Vatikan erkennt Palästina an. Abbas am Wochenende in Rom erwartet

Von Gerhard Feldbauer *

Wie Radio Vatikan am Mittwoch meldete, erkennt der Kirchenstaat Palästina in einem am selben Tag vereinbarten »Grundlagenvertrag« als Staat mit derzeitigem Regierungssitz in Ramallah an. In der Präambel ist ausdrücklich vom »Staat Palästina« die Rede. Wie Monsignore Antoine Camilleri, der stellvertretende Außenminister des Papstes, der Vatikan-Zeitung L’Osservatore Romano sagte, ist damit die Hoffnung auf »ein friedliches Ende des Konflikts mit den Israelis« und weiterhin auf eine »Zweistaatenlösung« verbunden. Der Staatsvertrag müsse »in naher Zukunft« nur noch den Staatsoberhäuptern, Jorge Bergoglio, bekannt als Papst Franziskus, und Präsident Mahmud Abbas, zur Unterschrift vorgelegt werden, erklärte Camilleri weiter.

Die hochrangige palästinensische Politikerin, Mitglied des Exekutivkomitees der Befreiungsorganisation PLO und enge Kampfgefährtin des verstorbenen Jassir Arafat, Hanan Ashrawi bezeichnete den Staatsvertrag als einen »Beitrag für Frieden und Gerechtigkeit«. Der Schritt des Vatikans stärke das Recht des palästinensischen Volk auf Selbstbestimmung, auf formelle Anerkennung seiner Freiheit und Eigenstaatlichkeit.

Es wird vermutet, dass die Unterzeichnung bereits am Wochenende erfolgen könnte. Am Sonntag wird der palästinensische Präsident an den Feierlichkeiten zur Heiligsprechung zweier Ordensfrauen aus dem Westjordanland durch den Papst in Rom erwartet. Wie aus dem Vatikan bekannt wurde, ist auch auch ein Treffen zwischen Bergoglio und Abbas geplant.

In den italienischen und internationalen Medien findet der Schritt ein großes Echo. Mit der Anerkennung durch den Vatikan werde »eine neue Seite in den Beziehungen zwischen beiden Staaten geöffnet, die zur internationalen Anerkennung« Palästinas beitrage, schrieb La Repubblica am Donnerstag. Das regierungsnahe Blatt verweist darauf, dass Palästina als Staat bereits von 135 Ländern anerkannt ist und der Papst diesen Schritt seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren ins Auge gefasst habe. Bereits im Mai 2014 war Bergoglio mit Abbas in Bethlehem zusammengetroffen.

Ein Sprecher des israelischen Außenministeriums zeigt sich dagegen »enttäuscht«. Er erklärte, die Entscheidung des Vatikans werde nicht dazu beitragen, die Palästinenser zu Verhandlungen über eine Friedenslösung für den Nahen Osten zurückzubringen. Der Osservatore Romano betonte indes, der Vertrag werde helfen, dass sich Palästina als unabhängiger, souveräner und demokratischer Staat konsolidiert sowie in Frieden und Sicherheit mit Israel und den anderen Nachbarn leben kann. Dem Blatt zufolge erklärte Camilleri, dass es bereits seit längerer Zeit parallele Verhandlungen des »Heiligen Stuhls« mit Israel zur Lösung strittiger Fragen gebe; auch dazu sei ein Vertrag »quasi fertig«.

Der Osservatore Romano informiert weiter, dass das Abkommen, wie alle Verträge, die der Vatikan mit anderen Staaten abschließt, das Ziel verfolge, das Leben und die Aktivitäten der Kirche zu fördern und sie rechtlich anzuerkennen. In dem Regelwerk sichere der palästinensische Staat der katholischen Minderheit – etwa fünf Prozent unter den mehrheitlich muslimischen Palästinensern – Gewissens-, Religions- und Kultfreiheit sowie die Zulassung von katholischen karitativen Einrichtungen zu. Ein ganzes Kapitel befasse sich mit Steuer- und Eigentumsfragen. Darunter ist auch die Befreiung von Abgaben für das Eigentum der katholischen Kirche sowie deren wirtschaftliche Aktivitäten.

* Aus: junge Welt, Freitag, 15. Mai 2015


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