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Merkel auf der Bremse

Französisches Parlament für Anerkennung Palästinas. Deutschland hält dagegen

Von Knut Mellenthin *

Die Unzufriedenheit der Europäer mit Israels destruktiver Politik gegenüber den Palästinensern wächst. Nach Schweden, Großbritannien, Spanien und Irland hat sich jetzt auch Frankreich deutlich zu Wort gemeldet. Das französische Parlament, die Nationalversammlung, stimmte am Dienstag einer Resolution zu, mit der die Regierung in Paris aufgefordert wird, »die Anerkennung des Staates Palästina als Instrument zu nutzen, um eine endgültige Lösung des Konflikts zu erreichen«.

Der von den regierenden Sozialdemokraten eingebrachte Text wurde von den Grünen und von einem Linksbündnis, zu dem auch die früheren Kommunisten gehören, aber nur von wenigen rechten Abgeordneten unterstützt. Die meisten Konservativen, hauptsächlich die UMP des ehemaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy, stimmten gegen den Antrag. So wurde die Resolution denn auch nur mit 339 gegen 151 angenommen. Ähnliche Entscheidungen im britischen und im spanischen Parlament sowie im irischen Oberhaus waren in den letzten Wochen nahezu einstimmig gefallen.

Die Resolution ist für die französische Regierung rechtlich nicht bindend und wird daher in den Medien meist als »symbolisch« heruntergespielt. Das Wort sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich in vorangegangenen Umfragen über 60 Prozent der französischen Bevölkerung für die Anerkennung Palästinas ausgesprochen hatten. Allerdings stört das Abstimmungsergebnis den einseitig pro-zionistischen Kurs von Präsident François Hollande, der vor einigen Monaten sogar Israels Krieg gegen die Bevölkerung des Gaza-Gebiets unterstützte. Außenminister Laurent Fabius, der ebenso wie Regierungschef Manuel Valls die Abstimmung boykottierte, möchte vor allem Zeit gewinnen und Frankreich als Schauplatz einer internationalen Israel-Palästina-Konferenz aufwerten. Falls allerdings in zwei Jahren immer noch keine Verhandlungslösung erreicht sein sollte, werde man um eine Anerkennung Palästinas wohl nicht herumkommen, räumte selbst Fabius ein.

Die israelische Regierung hatte auf alle in der Nationalversammlung vertretenen Parteien starken Druck ausgeübt, um den »schweren Fehler«, wie Benjamin Netanjahu es nannte, zu verhindern. »Haben sie nichts besseres zu tun in einer Zeit, wo überall im Nahen Osten Enthauptungen, auch von französischen Bürgern, stattfinden?« klagte der israelische Premierminister, als ob das auch nur das geringste mit dem Thema der Abstimmung zu tun hätte.

Die unglaubliche Grobschlächtigkeit der Polemik zeigt die zunehmenden Sorgen der Führung des zionistischen Staates angesichts ihres rasanten Sympathieverlusts in den europäischen Ländern. Am 30. Oktober hatte Schweden als erster Staat Westeuropas offiziell mitgeteilt, dass man Palästina anerkennen werde. Zuvor hatte das britische Unterhaus am 13. Oktober mit Unterstützung aller Parteien und einem Abstimmungsergebnis von 274 gegen zwölf die Anerkennung Palästinas befürwortet. Es folgte am 22. Oktober das einmütige, ohne Abstimmung registrierte Votum des irischen Oberhauses. Das spanische Parlament forderte am 18. November mit 319 gegen zwei Stimmen die Anerkennung Palästinas.

Hartnäckig beide Füße auf der Bremse hat nur noch die deutsche Kanzlerin. Sie meint, dass eine »einseitige« Anerkennung »uns nicht voranbringen würde« und dass die Palästinenser sich gefälligst durch Verhandlungen mit Israel einigen sollten. Ein Textvergleich lässt darauf schließen, dass Angela Merkels Statements zu diesem Thema von der israelischen Botschaft in Berlin formuliert wurden.

Da EU-Beschlüsse nur einstimmig gefasst werden dürfen, blockiert die deutsche Regierung mit ihrem Veto auch eine Entscheidung der Europäischen Union. Die für Ende November angesetzte Abstimmung des Europaparlaments über einen Antrag der Sozialdemokraten und der Linken zugunsten der Anerkennung Palästinas musste deshalb auf Mitte Dezember verschoben werden. Möglicherweise wird sich Deutschland dann mit stark verwässerten Formulierungen durchsetzen.

* Aus: junge Welt, Freitag, 5. Dezember 2014


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