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Palästina wird Mitglied Nr. 195

Klare Mehrheit in UNESCO für Aufnahme *

Palästina ist am Montag (31. Okt.) in Paris in die UNESCO aufgenommen worden. Auf der 36. Generalkonferenz der UN-Spezialorganisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur stimmten 107 Länder dafür und nur 14 dagegen. Von den stimmberechtigten 185 Mitgliedern enthielten sich 53, 11 blieben der Abstimmung fern. Für die Aufnahme votierten die meisten afrikanischen und arabischen sowie viele asiatische und lateinamerikanische Länder. Dass aber auch Frankreich, Russland, China, Spanien, Belgien, Luxemburg, Österreich, Irland, Island, Norwegen und Malta für die Aufnahme Palästinas votierten, wurde mit stürmischem Beifall des bis auf den letzten Platz besetzten Saales quittiert. Neben den USA und Israel gehörten Deutschland, die Niederlande, die Tschechische Republik, Litauen, Schweden, Kanada, Australien und Mexiko zu den Ländern, die gegen die Aufnahme von Palästina stimmten. Für seinen neuen Status als 195. Mitglied der UNESCO muss die Palästinensische Autonomiebehörde jetzt noch die Verfassung der 1945 in London gegründeten Organisation unterzeichnen.

Kurz vor der Abstimmung der Generalkonferenz hatte die Delegationsleiterin der USA, Bildungsstaatssekretärin Martha Kanter, in einer Ansprache noch einmal vor einer Aufnahme Palästinas gewarnt und diese als »kontraproduktiv für den Friedensprozess« bezeichnet. Die USA seien »selbstverständlich für einen palästinensischen Staat, aber nur auf dem Wege von Verhandlungen«. Dagegen rief der Außenminister der Palästinensischen Autonomiebehörde, Riad Malki, dazu auf, durch eine Aufnahme in die Organisation die Bemühungen Palästinas zu unterstützen, auf internationaler Ebene mit allen interessierten Ländern friedlich zusammenzuarbeiten. Nach der Abstimmung bezeichnete der israelische UNESCO-Botschafter die Aufnahme Palästinas als »Tragödie«. Man habe damit »dem Frieden in der Region keinen guten Dienst erwiesen«.

Bis zum Schluss hatten die USA und westeuropäische Länder versucht, mit Hinweis auf das laufende UNO-Aufnahmeverfahren die Abstimmung der UNESCO-Generalversammlung zu verhindern. Gleichzeitig hatten sie versucht, Palästina zum Rückzug seines Aufnahmeantrags zu bewegen. Für die EU-Länder ist das Ergebnis eine außenpolitische Blamage. Zunächst hatte man ein einheitliches Auftreten angestrebt - alle Länder sollten sich der Stimme enthalten. Dies scheiterte jedoch an Deutschland und den Niederlanden. Auch die UNESCO könnte an der Aufnahme Palästinas schwer tragen. UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon befürchtet »Folgen für die Finanzierung durch einige Mitgliedsstaaten«. Zwar dürften die USA nicht wieder wie 1984 nach der Annahme einer »Weltinformationsordnung« aus der Organisation austreten, in die sie 2003 zurückkehrten. Doch das US-Außenministerium kündigte gestern Abend an, die im November fällige Zahlung vorerst zu stoppen. Der US-Beitrag ist mit rund 50 Millionen Euro pro Jahr der größte aller Mitglieder und macht ein Fünftel des UNESCO-Haushalts aus.

* Aus: neues deutschland, 1. November 2011

Was sagen die NEIN-Sager

Victoria Nuland, Sprecherin des US-Außenministeriums:

Die heutige Entscheidung der UNESCO-Mitgliedstaaten, Palästina als Mitglied aufzunehmen, ist bedauerlich und voreilig und unterminiert unser gemeinsames Ziel eines umfassenden, gerechten und dauerhaften Friedens im Nahen Osten. Die Vereinigten Staaten werden die Bildung eines unabhängigen und souveränen Palästinenserstaates weiterhin nachdrücklich unterstützen. Ein solcher Staat kann aber nur aus direkten Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern hervorgehen.

Die Vereinigten Staaten werden sich auch weiterhin für ein starkes, multilaterales Engagement im gesamten System der Vereinten Nationen einsetzen. Die Aufnahme Palästinas als Mitgliedstaat der UNESCO führt allerdings dazu, dass seit langer Zeit bestehende Rechtsvorschriften zum Tragen kommen, die die Vereinigten Staaten dazu zwingen, keine weiteren Mitgliedsbeiträge an die UNESCO zu zahlen.

Das Engagement der Vereinigten Staaten für die UNESCO wirkt sich auf viele unserer nationalen Interessen in den Bereichen Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation positiv aus. Die Vereinigten Staaten werden ihre Mitgliedschaft in und ihr Engagement für die UNESCO weiter aufrechterhalten und mit dem Kongress beraten, wie die Interessen und der Einfluss der Vereinigten Staaten am besten gefördert werden können.

Quelle: US-Botschaft in Berlin, 31. Oktober 2011; Übersetzung ins Deutsche: Amerika Dienst


Stellungnahme des israelischen Außenministeriums:

"Israel weist die Entscheidung der UNESCO-Vollversammlung zurück, Palästina als Mitgliedsstaat in die Organisation aufzunehmen. Es handelt sich dabei um einen einseitigen palästinensischen Schritt, der keinen echten Fortschritt bringen und dafür die Möglichkeiten für ein Friedensabkommen verringern wird.

Die Entscheidung wird nicht dazu führen, dass die Palästinensische Autonomiebehörde ein Staat wird, sondern erschwert nur die Wiederaufnahme von Verhandlungen. Israel ist überzeugt, dass der einzige richtige Weg, im diplomatischen Prozess mit den Palästinensern Fortschritte zu erzielen, über Verhandlungen ohne Vorbedingungen führt.

Aus diesem Grund hatte Israel die Erklärung des Nahostquartetts vom 23. September begrüßt und ist nach wie vor bereit, auf dieser Basis weiterzuarbeiten. Der palästinensische Schritt bei der UNESCO ist, ebenso wie ähnliche Schritte bei weiteren UN-Organisationen, gleichbedeutend mit der Zurückweisung der Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, Fortschritte im Friedensprozess zu erzielen.

Israel dankt jenen Ländern, die einen Sinn für Verantwortung bewiesen und in der Vollversammlung der UNESCO gegen diese Entscheidung gestimmt haben. Es ist enttäuschend, dass die Europäische Union, die für die Wiederaufnahme direkter Verhandlungen eintritt und den palästinensischen Schritt nicht unterstützt, in dieser Frage nicht zu einer einheitlichen Position gefunden hat.

Angesichts der Entscheidung über die Aufnahme Palästinas als ordentliches Mitglied der UNESCO wird der Staat Israel nun seine weiteren Schritte und die Fortsetzung der Kooperation mit der Organisation überdenken."

Außenministerium des Staates Israel, 31.10.11; Infobrief der Israelischen Botschaft in berlin.


Und zum Schluss die Deutsch-israelische Gesellschaft:

Die Deutsch-Israelische Gesellschaft dankte ausdrücklich der Bundesregierung für ihr klares Nein bei der Abstimmung. Die Unesco-Entscheidung sei ein “Schlag ins Gesicht“ für alle Staaten, die sich den Grundsätzen der Unesco verpflichtet fühlten, erklärte ihr Präsident Reinhold Robbe. Die Unesco-Verfassung betone die Bedeutung der Menschenrechte und die Notwendigkeit, den Frieden im Geist der Menschen zu verankern. Das könne “die palästinensische Terrororganisation Hamas nicht für sich in Anspruch nehmen“. Die Autonomiegebiete seien zudem kein zusammenhängender Staat und erst recht nicht demokratisch und rechtsstaatlich, fügte Robbe hinzu.

Quelle: Pressedienste




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