Versöhnungszeichen nach Trennungsjahr
Die Palästinenserorganisationen Fatah und Hamas suchen nach gemeinsamer Strategie
Von Karin Leukefeld *
Ein Jahr nach dem Bruch zwischen Fatah und Hamas über die Kontrolle im palästinensischen Gaza-
Streifen bahnt sich zwischen beiden Organisationen eine Versöhnung an.
Bringt Dakar den Wendepunkt? Nach einem zweitägigen Treffen in der senegalesischen Hauptstadt
erklärten Vertreter von Hamas und Fatah, eine »Atmosphäre des Vertrauens und gegenseitigen
Respekts« sei wieder hergestellt worden. Senegal, das derzeit den Vorsitz der Islamischen
Konferenz inne hat, moderierte die Zusammenkunft und erklärte anschließend, man wolle helfen,
»Differenzen (zu) beseitigen und die Versöhnung innerhalb der palästinensischen Familie (zu)
fördern«.
Die palästinensische Familie ist bekanntlich seit dem 14. Juni 2007 tief zerstritten. Damals hatten
Sicherheitskräfte und Milizen der Hamas in Gaza einen blutigen Machtkampf gegen die Fatah für
sich entschieden. Büros der Fatah wurden gestürmt und verwüstet, 400 Menschen kamen bei den
Kämpfen ums Leben, Fatah-Anhänger flohen aus Gaza, die Ereignisse spalteten die Palästinenser.
Ziel der Attacke von Hamas war der damalige Fatah-Geheimdienstchef Mohammed Dahlan, in ihren
Augen ein Verräter, der Israel mit Informationen versorgt hatte. Spätere Funde von Dokumenten
belegten den Vorwurf.
Die Fatah und mit ihr Präsident Mahmud Abbas bezeichneten das Vorgehen der Hamas als »Coup«
und lehnten jedes Gesprächsangebot der Hamas ab, bevor nicht der Status quo im Gaza-Streifen
wieder hergestellt sei. Das wiederum lehnte Hamas ab. Israel schloss alle Grenzen zu dem
Küstenstreifen, in dem 1,5 Millionen Menschen leben, und verhängte ein Embargo. USA, EU,
Großbritannien und Israel stärkten Abbas politisch und finanziell den Rücken, die USA lieferten
Waffen. Abbas entließ die demokratisch gewählte Regierung der Hamas und ernannte eine
Übergangsregierung, die wiederum von Hamas-Premier Ismail Hanija nicht anerkannt wurde.
Inzwischen aber scheint Abbas zu dem Schluss gekommen zu sein, dass die Versprechen der
israelischen Seite ohne Substanz sind. Abbas nahm den 41. Jahrestag des Beginns des Krieges
1967, der mit der weitgehenden Besetzung Palästinas durch Israel endete, zum Anlass, Israel scharf
zu kritisieren. Frieden und Sicherheit werde Israel nie »mit dem Schwert der Besatzung, mit
Bulldozern und neuen Siedlungen« erreichen, sagte Abbas. Er verurteilte die »Mauer der Apartheid«
und kritisierte die Absicht Israels, ganz Jerusalem annektieren zu wollen und weitere Siedlungen zu
bauen. Die Belagerung des Gaza-Streifens bezeichnete Abbas als »Kriegsverbrechen gegen die
Palästinenser«. Er hoffe, so Abbas weiter, die Differenzen mit der Hamas überwinden zu können
und erklärte sich zu Gesprächen bereit. Fawzi Barhoum, Sprecher der Hamas in Gaza-Stadt,
forderte daraufhin von Abbas als Zeichen des guten Willens, alle inhaftierten Hamas-Mitglieder
freizulassen und keine weiteren mehr zu verhaften.
Washington hielt sich mit Kommentaren zur Rede von Abbas zurück. Syrien begrüßte die
Äußerungen, und Außenminister Walid Muallem traf mit dem Hamasführer im Exil, Khaled
Meschaal, zusammen, um die syrische Unterstützung für eine innerpalästinensische Versöhnung zu
erläutern. Der Präsident der Arabischen Liga, Amr Musa, beschuldigte Israel derweil, einen Keil
zwischen Fatah und Hamas treiben zu wollen. Die EU hält bisher an ihrem harten Kurs gegenüber
der Hamas fest, allerdings wurde bekannt, dass Frankreich im Rahmen seiner politischen
Nahostoffensive auch Kontakte zu Hamas aufgenommen hat.
Nach Gesprächen von Abbas mit dem saudischen König Abdullah sowie dem ägyptischen
Präsidenten Husni Mubarak erklärte sich Letzterer bereit, innerpalästinensische Friedensgespräche
in Kairo zu unterstützen. Wie ernst dies zu nehmen ist, bleibt abzuwarten. Anfang 2007 hatte Saudi-
Arabien nach syrischer Vorarbeit ein Abkommen zwischen Fatah und Hamas vermittelt, das zur
Bildung einer Regierung der nationalen Einheit geführt hatte. Dieser Versuch scheiterte nur wenige
Wochen später mit den Kämpfen in Gaza. Geheimdienstliche Dokumente, die später vom Sender Al
Dschasira veröffentlicht wurden, belegen, dass die USA gemeinsam mit Israel und
geheimdienstlicher Unterstützung aus den Reihen der Palästinenser zielstrebig auf den Sturz der
demokratisch gewählten Hamas-Regierung hingearbeitet hatten.
* Aus: Neues Deutschland, 14. Juni 2008
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