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Spiel auf Zeit

Versöhnungsgespräche der beiden großen Palästinenserorganisationen verschoben. Hinhaltetaktik des Westens verschärft Streit zwischen Hamas und Fatah

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Nach wochenlangen Vorbereitungsgesprächen haben die beiden großen palästinensischen Organisationen Hamas und Fatah ein für kommendes Wochenende geplantes Treffen um einen weiteren Monat verschoben.

Die unter ägyptischer Vermittlung geführten Versöhnungsgespräche hatten im Februar in Kairo begonnen. Ziel ist es, eine Regierung der nationalen Einheit zu bestimmen, die übergangsweise bis zu den nächsten Wahlen im Januar 2010 amtieren kann. Neben einem neuen Wahlgesetz soll eine gemeinsame Sicherheitsstruktur entwickelt werden. Die Übergangsregierung wäre für die Vergabe der internationalen Hilfsgelder zum Wiederaufbau des von Israel zerstörten Gazastreifens zuständig. Die Zahlung der im März in Aussicht gestellten Gelder (4,3 Milliarden Euro) wurden von den – zumeist westlichen – »Geberländern« an die Bedingung geknüpft, daß nicht die Hamas darüber verfügen dürfe. Das für den 26. Juli geplante Treffen sollte die Verhandlungen zum Abschluß bringen. Als neuer Termin wurde statt dessen der 25. August genannt.

Die Hinhaltetaktik des Westens gegenüber den Palästinensern hat deren internen Streit verschärft. Während die Autonomiebehörde (PA) von Mahmud Abbas (Fatah) von den USA und der EU finanziell vor allem beim Aufbau des Polizei- und Sicherheitsapparates unterstützt wird, der auch gegen die Hamas eingesetzt wird, grenzt man die 2006 demokratisch gewählte Hamas aus.

Der Machtkampf eskalierte 2007, als Fatah und PA aus dem Gazastreifen vertrieben wurden, während die Hamas in der Westbank unter enormen Druck seitens der Autonomiebehörde und Israels geriet. Noch immer befinden sich Abgeordnete der Hamas in israelischer Haft. Die PA schloß Hamas-nahe Hilfsorganisationen und Medien aus und nahm viele Hamas-Angehörige fest. Die Ausgrenzung der Hamas gilt als wesentliches Hindernis für eine innerpalästinensische Versöhnung. Der frühere US-Präsident James Carter hat sich mit Hamas-Politikern ebenso getroffen wie kürzlich auch die schweizerische Außenministerin Micheline Calmy-Rey. Diese bezeichnete die geächtete Palästinenserorganisation als »wichtigen Akteur in der Region«. Auch Frankreich hat Gespräche mit der Hamas eingeräumt.

Abbas, der auch innerhalb seiner eigenen Organisation unter Druck steht, schlug unterdessen vor, Wahlen sofort abzuhalten, womit die Bildung einer Übergangsregierung überflüssig wäre. Das wäre die beste Lösung für den innerpalästinensischen Zwist, sagte Abbas. »Die Leute, die gewählt werden, werden das Land führen.« Hamas-Sprecher Fawzi Barhoum wies den Vorschlag zurück. Die Wahlen seien eines von fünf Themen, die bei den Kairo-Gesprächen diskutiert werden sollten. Zudem gehörten dazu die PLO, die Übergangsregierung, die Sicherheit und die Versöhnung. Abbas müsse ein Klima zulassen, in dem man sich einigen könne, so Barhoum. Dazu gehöre auch, die Repression gegen die Hamas in der Westbank einzustellen.

Daß die Fatah nicht bereit sei, die Gefangenen freizulassen, sei ein Zeichen, daß sie »an einer nationalen Versöhnung nicht interessiert ist«. Das erklärte Hamas-Sprecher Sami Abu Zuhri am Montag gegenüber der palästinensischen Nachrichtenagentur Ma’an. Als Zeichen des guten Willens werde die Hamas ihrerseits 20 Fatah-Mitglieder in Gaza freilassen. Man habe einem Übergangskomitee zur Kontrolle des Gazastreifens zugestimmt sowie einer gemeinsamen Sicherheitsstruktur. Bevor aber Wahlen stattfinden könnten, müsse die Blockade des Gazastreifens beendet werden und der Wiederaufbau beginnen. Abu Zuhri forderte internationale Zusicherungen, daß Israel nicht weitere palästinensische Abgeordnete verhafte.

* Aus: junge Welt, 22. Juni 2009


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