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Spaltung überwinden

Hungerstreik junger Palästinenser in Ramallah. Hamas und Fatah sollen Streit beilegen. Abbas: Frieden mit Israel nur in palästinensischer Einheit zu erreichen

Von Karin Leukefeld *

Mit einem Hungerstreik fordern palästinensische Jugendliche in Ramallah im Westjordanland eine Versöhnung der verfeindeten palästinensischen Organisationen Fatah und Hamas. Der Streik findet in einem Protestzelt auf dem Al-Manara-Platz statt, das dort am 15. März errichtet worden war. An diesem Tag hatten – erstmals seit Beginn der Aufstände in anderen arabischen Staaten – Tausende Palästinenser sowohl in den besetzten Gebieten als auch im Gazastreifen die jeweiligen politischen Führer aufgefordert, ihren Streit beizulegen. Beide Seiten müßten aufeinander zugehen. Als Zeichen des guten Willens sollten sowohl Fatah als auch Hamas alle Gefangenen der jeweils anderen Seite freilassen, forderten die Demonstranten. Außerdem müssen beide Parteien die gegenseitigen Diffamierungen einstellen und Neuwahlen vorbereiten. Um die Forderung nach Versöhnung zu unterstreichen, haben sich mittlerweile palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen dem Hungerstreik angeschlossen.

Angefeindet

Am vergangenen Wochenende mußte einer der Hungerstreikenden, der 21jährige Alaa Qdimat, wegen eines Schwächeanfalls ins Krankenhaus eingeliefert werden. Dort bekam er postwendend Besuch von der Polizei der Palästinensischen Autonomiebehörde, die ihn in einem separaten Raum verhörte. Mehr als eine Stunde habe man ihn über den Hungerstreik ausgefragt, berichtete Qdimat, nachdem er das Krankenhaus wieder verlassen konnte. Die Polizei habe wissen wollen, wer den Hungerstreik organisiert habe und wer die Aktivisten dafür bezahlen würde. Er sei auch bedroht worden, als »Sicherheitsrisiko« verhaftet zu werden.

Freie und faire Wahlen sollen nach dem Willen der Demonstranten die Spaltung zwischen der Westbank und dem Gazastreifen überwinden. Die Westbank steht unter Kontrolle der Fatah, die mit den israelischen Besatzungsbehörden kooperiert. Der von Israel abgeriegelte Gazastreifen wird von der Hamas kontrolliert. Dort hatten beide Gruppen sich 2007 einen tödlichen Kampf geliefert, nachdem Sicherheitskräfte der Fatah in Absprache mit Israel versucht hatten, die Hamas zu entmachten. Diese hatte bei den Wahlen 2006 einen deutlichen Sieg errungen, war aber umgehend von Israel durch die Abriegelung des Gazastreifens isoliert worden, Dutzende Politiker der Hamas wurden verhaftet. Die westlichen Verbündeten übernahmen die israelische Position.

Die Demonstranten nennen sich »Gruppe der Jugend vom 15. März«, ein Hinweis auf den Tag der ersten Proteste. Nach eigenen Aussagen gehören sie keiner Partei an. Unterstützt werden sie von Künstlern und Schriftstellern, die Konzerte, Theateraufführungen und öffentliche Lesungen auf dem Al-Manara-Platz organisieren. Mehrfach versuchten Mitglieder der Jugendorganisation der Fatah, die Proteste aufzulösen, berichtet die palästinensische Nachrichtenagentur Maan News. Zuletzt wurde das Protestzelt Mitte letzter Woche von jungen Leuten der Fatah-Studentenorganisation angegriffen, wobei Schlafsäcke und Erste-Hilfe-Koffer sowie 30 Bücher gestohlen wurden. Bei einer Demonstration am vergangenen Freitag in Kalkiliya wurden drei Demonstranten von Fatah-Anhängern verletzt.

Kairo für Versöhnung

Unter dem Druck öffentlicher Proteste haben sich sowohl Hamas als auch Fatah zu Gesprächen bereit erklärt. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas nahm die Einladung von Hamas-Führer Ismail Hanija zu einem Treffen in Gaza an. Gegenüber Angehörigen der Gefangenen, die sich dem Hungerstreik der Jugendbewegung des 15. März angeschlossen haben, sagte Abbas, Frieden mit Israel sei nur in palästinensischer Einheit zu erreichen. Abu Obeida, Sprecher der Kassam-Brigaden, dem bewaffneten Arm der Hamas, sagte am Wochenende, eine Versöhnung sei nur möglich, wenn Abbas alle Hamas-Gefangenen in der Westbank freilasse und die Zusammenarbeit mit Israel einstelle.

Die ägyptische Nachrichtenagentur MENA berichtete derweil, daß der ägyptische Außenminister Nabil Al-Arabi im Auftrag des Militärrates Abbas nach Kairo eingeladen habe. Die Versöhnung von Hamas und Fatah sei der neuen ägyptischen Führung sehr wichtig, so MENA.

* Aus: junge Welt, 5. April 2011


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