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Von Versöhnung keine Spur

Präsident Abbas vereidigt palästinensische Regierung. Hamas bleibt ausgeschlossen

Von Karin Leukefeld *

Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas erntete am vergangenen Dienstag in Ramallah Proteste. Diese kamen sowohl aus den eigenen Reihen als auch von der islamischen Hamas und galten der neuen Regierung aus 24 Ministern, die von der Abbas-Partei Fatah, der Partei des dritten Weges, der Demokratischen Front zur Befreiung Palästinas (DFLP) und unabhängigen Kräften gestellt wird. Vier Frauen gehören dazu, sechs Minister der alten Regierung wurden erneut ernannt. Als alter und neuer Ministerpräsident wurde Salam Fayyad vereidigt.

Die Neubildung eines Kabinetts war nötig geworden, nachdem Fayyad im März zurückgetreten war. Begründet hatte er seinen Schritt mit dem Ansinnen, erneut einer »palästinensischen Einheitsregierung« unter Einbeziehung der Hamas den Weg öffnen zu wollen. Die fünfte Runde der Gespräche zwischen den beiden größten palästinensischen Organisationen und anderen Fraktionen war in der vergangenen Woche vorzeitig abgebrochen worden, als die Kabinettsbildung bekannt wurde. Die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) und die Palästinensische Volkspartei (PPP) lehnten ebenfalls eine Beteiligung an der Regierung ab.

Bei der Vereidigung der Minister am Dienstag machte die Hamas ihre mißbilligende Haltung gegenüber dem neuen Kabinett deutlich. Dieses sei mit Rücksicht auf die USA und Israel zustande gekommen, hieß es. Abbas wird Ende Mai zu Gesprächen in Wa­shington erwartet. Die Regierungsbildung sei der Einstieg in den Ausstieg aus dem Versöhnungsdialog, meinte dazu Hamas-Sprecher Fawzi Barhoum. Sie gleiche einem »politischen, juristischen und konstitutionellen Chaos«.

Der Ökonom Fayyad, der in den USA ausgebildet wurde, acht Jahre bei der Weltbank und später als Vertreter des Internationalen Währungsfonds in den besetzten Gebieten gearbeitet hat, ist zwar im Westen willkommen, wird unter Palästinensern aber kritisch gesehen. Das Nahostquartett und vor allem die USA hätten sich bis ins letzte Detail in die innerpalästinensischen Angelegenheiten eingemischt, kritisierte der unabhängige Abgeordnete Hassan Khreisheh.

Die neue Regierung werde die Spaltung zwischen Westbank und Gazastreifen weiter vertiefen, zeigte sich am Mittwoch der palästinensische Politikwissenschaftler Mahdi Abdel-Hadi überzeugt. Die Unterschiede seien zu groß, das neue Kabinett sei nicht in der Lage, sie zu überwinden. Die Regierungsbildung zeige auch die »politische Sturheit auf seiten von Präsident Abbas«, bemängelte Abdel-Hadi. Abbas sei eine nicht akzeptierte Regierung wichtiger gewesen als ein Erfolg im Versöhnungsdialog. Kritisiert wird auch, daß während der Amtszeit von Fayyad viele Hamas-Anhänger im Westjordanland inhaftiert und Dutzende Hilfsorganisationen geschlossen wurden.

Andere, wie die Mittelostexpertin des arabischen TV-Senders Al-Dschasira, Lamis Andoni, verwiesen darauf, daß sich die Mehrheit der neuen Minister für eine Versöhnung mit der Hamas ausspreche. Fayyad selbst sagte, die »Übergangsregierung werde so lange arbeiten, bis die palästinensische Spaltung überwunden sei«. Wichtigste Aufgabe sei jetzt der Wiederaufbau des Gazastreifens sowie die Schaffung eines »Klimas für einen nationalen Dialog«.

Eine Einigung der tief zerstrittenen Fatah und Hamas ist lebensnotwendig für die Bevölkerung im Gazastreifen. Das Gebiet wurde Ende Dezember bis Mitte Januar bei einer dreiwöchigen israelischen Luft- und Bodenoffensive in Schutt und Asche gelegt, wobei mehr als 1400 Palästinenser getötet wurden. Auf einer Geberkonferenz im März waren den Palästinensern für den Wiederaufbau 4,5 Milliarden US-Dollar versprochen worden. Die Zahlung des Geldes wurde allerdings davon abhängig gemacht, daß die Autonomiebehörde und nicht die im Gazastreifen regierende Hamas das Geld verwaltet.

* Aus: junge Welt, 23. Mai 2009


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