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Keine Friedensbotschaft

PLO übt scharfe Kritik an Äußerungen Obamas und Merkels zur Zukunft Palästinas. Hamas erwägt Verzicht auf politische Ämter nach Wahlen

Von Karin Leukefeld, Beirut *

Mit scharfen Worten hat Hanan Aschrawi, führendes PLO-Mitglied, Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama kritisiert. Beide hatten vor wenigen Tagen den Palästinensern davon abgeraten, im September die UN-Vollversammlung aufzufordern, einen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 anzuerkennen. Ein solcher Schritt sei »einseitig«, so Merkel und Obama, das könne nicht unterstützt werden. Diese Äußerung sei »kontraproduktiv« sagte Aschrawi am Donnerstag in Ramallah. »Völker verhandeln nicht über ihr Recht auf einen Staat, es ist vielmehr ein grundlegendes Recht.« Die UN-Vollversammlung sei zudem das »herausragende multilaterale Gremium«, Selbstbestimmung und Respektierung nationaler Souveränität seien Prinzipien der UN-Charta. Wollen Obama und Merkel etwas für den Frieden tun, sollten sie »eine ganz andere Botschaft senden«. Das »einzige Hindernis« für den palästinensischen Staat sei »die Weigerung Israels, seine Besatzung zu beenden«.

Um eine Entscheidung der UN-Vollversammlung zugunsten eines palästinensischen Staates zu verhindern, will das israelische Außenministerium erneut seine Botschafter mobilisieren und hat ein »September-Forum« eingerichtet, wie die israelische Tageszeitung Haaretz unter Verweis auf interne Anordnungen des Ministeriums berichtete. Alle Botschafter sollen sich demnach anstrengen, die Staaten, in denen sie residieren, von einer Anerkennung eines palästinensischen Staates abzubringen. Dafür sollen sie »mit höchstrangigen Politikern« reden und lokale Organisationen, Medien und die öffentliche Meinung mobilisieren.

Um eine erneute Isolation einer palästinensischen Regierung in Zukunft zu vermeiden, könnte die Hamas nach den nächsten palästinensischen Wahlen möglicherweise auf jedes politische Amt verzichten, selbst wenn die Organisation erneut eine parlamentarische Mehrheit gewinnen sollte. Das berichtet die Nachrichtenagentur AP und zitierte den Hamas-Politiker und Abgeordneten Jahia Mussa mit der Aussage, daß Hamas ihre »Möglichkeiten überdenkt und ihre Prioritäten neu bestimmt«. Die Regierungsführung sei eine »Last für die Hamas« gewesen, habe »ihr Ansehen (...) und ihr Projekt des Widerstandes« belastet, so Mussa.

Politische Beobachter beschreiben die Position der Hamas als zwischen Baum und Borke. Während die einen der Organisation vorwerfen, keine Selbstmordattentate mehr in Israel durchzuführen, kritisieren andere sie dafür, noch immer Raketenbeschuß gegen Israel zu dulden. Während einerseits strengere Verhaltensregeln im Gazastreifen kritisiert werden, sind anderen die Maßnahmen noch nicht streng genug. Möglicherweise werden die nächsten Wahlen zum Führungsrat der Hamas, der für August vorgesehen ist, einen Kurswechsel bringen.

Hintergrund von Debatte und Berichterstattung dürfte sein, daß ausländische »Berater« oder »Vermittler« der Hamas klarmachen wollen, daß keine zukünftige palästinensische Regierung finanzielle Hilfe zu erwarten hat, sollte die Hamas aktiv beteiligt sein. Der AP-Bericht spiegelt diese Haltung von Israel gegenüber den Palästinensern wider und betont, daß die Kosten der palästinensischen Regierung von jährlich 3,2 Milliarden US-Dollar zu einem Drittel von Geberländern getragen werden. Diese Zahlungen, so der Bericht, dürften im Falle einer Hamas-Regierungsbeteiligung in Frage gestellt sein. Mit einer ähnlichen Botschaft könnten auch Außenminister Guido Westerwelle und Entwicklungsminister Dirk Niebel (beide FDP) unterwegs sein, wenn sie am 13. und 14. Juni Israel, die besetzten palästinensischen Gebiete der Westbank und Gaza besuchen. »Wir müssen die Palästinenser davon überzeugen, daß eine einseitige Unabhängigkeitserklärung der falsche Weg ist«, sagte Niebel dem Spiegel. Laut dem Magazin wolle Berlin den Palästinensern statt dessen raten, eine Resolution in den Sicherheitsrat einzubringen, die eine Zweistaatenlösung auf Basis der Grenzen von 1967 fordert.

* Aus: junge Welt, 11. Juni 2011

Was Merkel und Obama sagten:

"Die Bundeskanzlerin und ich haben klar gesagt: Gaddafi muss die Macht abgeben"
Pressestatements der Bundeskanzlerin und von US-Präsident Barack Obama am 7. Juni 2011 in Washington (10. Juni 2011)




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