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Johnston bringt Hanija ins Rampenlicht

Der im Gaza-Streifen freigelassene BBC-Reporter soll das ramponierte Image der Hamas aufpolieren

Von Oliver Eberhardt, Jerusalem *

Der in Gaza entführte BBC-Reporter Alan Johnston ist frei – und wurde umgehend zum Hauptdarsteller einer Show, mit der die Hamas ihre eigene Position stärken will.

Es war ein freudestrahlender Ismail Hanija, der in der Nacht zum Dienstag in seinem Haus in Gaza- Stadt an der Seite des nicht minder glücklichen Alan Johnston vor die Fernsehkameras trat. Nach 114 Tagen in Geiselhaft war der BBC-Reporter freigekommen, und er wurde von seinen Befreiern, Kämpfern der Hamas in palästinensischen Polizei-Uniformen, gleich zum Regierungschef des Gaza- Streifens gebracht.

Dort wurde er schnell zum Hauptdarsteller in einer Vorführung, die nur ein Ziel hatte: der Welt zu zeigen, dass die radikal-islamische Hamas, die Mitte Juni die Macht in dem dicht bevölkerten Landstrich übernahm, nicht in erster Linie militant, sondern vor allem in der Lage ist, Regierungsverantwortung zu übernehmen – eine Show, an deren Realitätsgehalt man zweifeln kann. Die Palästinensische Autonomiebehörde, deren Machtbereich sich seit dem Fall Gazas auf das Westjordanland beschränkt, wirft der Hamas vor, die Freilassung inszeniert zu haben, um ihre eigene Position zu stärken, und viele Beobachter neigen dazu, sich dem anzuschließen. »Das hat einfach alles zu gut gepasst«, sagt eine US-amerikanische Journalistin, die ihren Namen nicht nennen will. »Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das eine abgekartete Sache war.«

Wochenlang hatten die Entführer damit gedroht, man werde Johnston töten, sollte jemand versuchen, ihn zu befreien. Aber als dann am Montagabend Kämpfer der Hamas tatsächlich angriffen, muss das Gefecht erstaunlich zurückhaltend gewesen sein. Zwar waren Schüsse zu hören, aber bis auf einen Unbeteiligten, der nach Aussage eines Krankenhaussprechers von einem Querschläger getroffen wurde, gab es keine Verletzten.

»Die Entführer standen mit dem Rücken zur Wand, mussten um ihr Leben fürchten – eigentlich würde man da doch sehr viel stärkere Gegenwehr erwarten«, sagt ein Mitarbeiter des palästinensischen Fernsehens in Gaza: »Ich würde sagen, dass sich Hamas und Entführer zusammengetan haben.«

Was auch immer tatsächlich geschehen ist – für die Hamas kam Johnston sehr gelegen. Schon seit Tagen bemüht sie sich, der eigenen und der internationalen Öffentlichkeit zu demonstrieren, dass »Hamastan«, wie Gaza mittlerweile oft genannt wird, funktionieren kann – sie steckte Mitglieder der Essedin-al-Kassam-Brigaden, wie der bewaffnete Flügel der Organisation heißt, in Polizeiuniformen und ließ sie medienwirksam auf den Straßen patrouillieren; außerdem wurden ehemalige Mitarbeiter in den mittlerweile nur noch für Hilfslieferungen geöffneten Grenzterminals angeheuert – für den Fall, dass die Grenze doch wieder vollständig geöffnet werden sollte.

Diese Signale werden auch in Israel empfangen: Man müsse davon ausgehen, dass »Hamastan« eine längerfristige Sache werde, erklärte Generalstabschef Gabi Aschkenasi am Montag vor dem Verteidigungsausschuss der Knesseth und warnte die Regierung davor, auf Militäroperationen im Westjordanland zu verzichten, weil das der Hamas die Gelegenheit geben könnte, dort wieder ihre Reihen zu schließen.

* Aus: Neues Deutschland, 5. Juli 2007


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