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Ägypten will Gaza-Übergang dauerhaft öffnen

Maßnahmen Kairos sollen Blockade des Palästinensergebietes mildern helfen *

Ägypten will den Grenzübergang zum Gaza-Streifen dauerhaft öffnen, um die von Israel gegen das Küstengebiet verhängte Blockade zu lockern.

Der ägyptische Außenminister Nabil al-Arabi sagte am Freitag dem arabischen Fernsehsender Al-Dschasira, sein Land werde »in den kommenden Tagen wichtige Maßnahmen unternehmen, um die Blockade mildern zu helfen«. Arabi nannte die Schließung des Übergangs von Rafah durch sein Land »beschämend«.

In Rafah befindet sich der einzige nicht von Israel kontrollierte Grenzübergang in den Gaza-Streifen. Israel verhängte im Juni 2006 nach der Gefangennahme eines Soldaten eine Blockade gegen den Streifen. Infolge der Machtübernahme durch die radikal-islamische Hamas in dem Gebiet im Juni 2007 wurde diese Blockade weiter verschärft. Seitdem versorgen sich die 1,5 Millionen Einwohner des Gebiets zu einem bedeutenden Teil über ein Netzwerk aus Tunneln unter der Grenze bei Rafah.

Ägypten öffnete in den vergangenen Jahren den Grenzübergang nur in humanitären Notlagen. Im Februar, wenige Tage nach dem Sturz des langjährigen Präsidenten Husni Mubarak, ließ Kairo wieder stundenweise die Ein- und Ausreise von Palästinensern zu.

Die Palästinenserorganisationen Fatah und Hamas wollen ihr von Israel kritisiertes Versöhnungsabkommen am Mittwoch besiegeln. Die Übereinkunft werde von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und dem Exilchef der Hamas, Chaled Meschaal, am Sitz der Arabischen Liga in Kairo unterzeichnet, teilte die Fatah von Abbas am Freitag in Ramallah mit. Nach mehr als einjährigen Verhandlungen hatten die rivalisierenden Palästinensergruppierungen diese Woche überraschend Einigung auf eine Übergangsregierung und Neuwahlen binnen eines Jahres erzielt.

Die Versöhnung von Fatah und Hamas gilt als wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem unabhängigen Palästinenserstaat.

Der israelische Außenminister Avigdor Lieberman hat davor gewarnt, eine geplante Palästinenserregierung von Fatah und Hamas anzuerkennen. »Die internationale Staatengemeinschaft darf diese Regierung nicht legitimieren, deren Gesicht das Gesicht von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ist und deren Arme die Arme der Hamas sind, die Raketen auf Bürger abfeuert und Blut von Unschuldigen vergießt«, sagte Lieberman bei einem Treffen mit dem zyprischen Präsidenten Dimitris Christofias in Nikosia.

Auch der israelische Präsident Schimon Peres warnte am Freitag im Rundfunk: Sollten politische Organisationen während der Wahlen in den Palästinensergebieten zur Vernichtung Israels aufrufen, würden die Ergebnisse für ungültig erklärt.

* Aus: Neues Deutschland, 30. April 2011


Ein Riegel wird geöffnet

Von Roland Etzel **

Schluss zu machen mit der Abriegelung des Gaza-Streifens wenigstens an dessen Ägypten zugewandter Südwestseite – das war eine der wenigen Forderungen der Kairoer Demonstranten, die nicht unmittelbar mit ihrer eigenen Lage zu tun hatten. Im Gegensatz zu ihrem Präsidenten Mubarak war der Masse der Ägypter das traurige Schicksal ihrer Nachbarn in Palästina niemals gleichgültig. Sie betrachteten sie, so pathetisch das klingen mag, als ihre arabischen Brüder und Schwestern. In Mubaraks Feiertagsreden waren sie das ebenfalls, tatsächlich für ihn aber kaum mehr als Figuren auf dem nahöstlichen Schachfeld, die man je nach Bedarf schützen oder opfern konnte.

Wenn der Südwestriegel nun in der Nach-Mubarak-Zeit seinen palästinenserfeindlichen Charakter verliert – der humanitäre Fortschritt wäre mit Händen zu greifen. Die Blockade Israels verlöre viel von ihrer barbarischen Wirkung auf das Leben der Palästinenser. Weiteres bleibt einer künftigen ägyptischen Regierung vorbehalten. Wird sie noch bereit sein, den israelischen Wünschen nach Strangulierung der Hamas zu folgen?

Der unübersehbare Niedergang der palästinensischen Bewegung in den letzten Jahren war nicht zuletzt einem Mangel an potenten Verbündeten in der arabischen Welt geschuldet. Sollte sich Ägypten dieser Rolle wieder nähern, bliebe das nicht folgenlos für die Gesamtkonstellation in der Region.

** Aus: Neues Deutschland, 30. April 2011 (Kommentar)


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