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Rücktritt der Gaza-Fraktion

Auseinandersetzungen nach Parteitag der Fatah halten an

Von Karin Leukefeld *

Aus Protest gegen die Wahl des neuen Führungsgremiums der palästinensischen Fatah sind die elf Mitglieder des Parteivorstandes im Gazastreifen am Mittwoch zurückgetreten. Die Fatah in Gaza sei nicht angemessen repräsentiert, kritisierte Vorstandssprecher Ahmed Nasr. Anstelle von den geforderten sechs Vertretern im 23köpfigen Zentralkomitee seien nur zwei aus Gaza stammende Politiker gewählt worden. Dabei handelt es sich um den früheren Sicherheitschef der Fatah in Gaza, Mohammed Dahlan, und den Politiker Nabil Shaath, langjähriger palästinensischer Unterhändler mit Israel.

Die Hamas-Führung in Gaza hatte die Ausreise der rund 400 Fatah-Delegierten zum sechsten Parteikongreß mit der Forderung verknüpft, daß ihre Gefangenen im von der Fatah kontrollierten Westjordanland freigelassen werden. Dem folgte die Fatah nicht, sondern ließ statt dessen weitere Hamas-Mitglieder und Unterstützer festnehmen.

»Einige Leute« von der Fatah-Führung in Ramallah hätten den Kongreß »an sich gerissen« (hijacked), begründete Ahmed Nasr von der Fatah in Gaza die Entscheidung zum Rücktritt. Die Gaza-Delegierten seien vom Parteitag ausgegrenzt worden. Die telefonische Stimmabgabe beschrieb Nasr als »unfair, chaotisch und undurchsichtig«, einige Delegierte hätten mehrmals abgestimmt. Die Ergebnisse seien gefälscht und spiegelten nicht die Meinung der Parteidelegierten wider, so Ahmad Nasr. »Das führt zu einer weiteren politischen Schwächung, für die das ganze palästinensische Volk den Preis zahlen muß.« Das Wahlergebnis entspreche dem »persönlichen Willen derjenigen, die Geld und politischen Einfluß haben.« Nasr, der für das ZK kandidiert hatte, aber nicht gewählt worden war, forderte den Fatah-Vorsitzenden Mahmud Abbas auf, die Vorwürfe von Wahlfälschung zu klären, bevor das neue Zentralkomitee benannt werde.

Inzwischen wurden die Wahlergebnisse offiziell bestätigt. Einige Urnen seien aufgrund von Protesten noch einmal ausgezählt worden, hieß es in Bethlehem. Überraschend wurde bei der neuen Stimmauszählung der langjährige Abbas-Vertraute und Sekretär Tayyib Abdulrahim in seinem bisherigen ZK-Amt bestätigt. Die grundsätzliche Kritik der Gaza-Delegierten wurde nicht aufgegriffen. Mit dem Ergebnis für die Wahl des 120köpfigen Revolutionsrates, der gegenüber dem als Exekutive fungierenden ZK als Legislative arbeitet, wird erst Ende der Woche gerechnet.

Nach Informationen des Nachrichtensenders Al Dschasira hat das neue ZK bekräftigt, keine Verhandlungen mit Israel aufzunehmen, solange nicht der israelische Siedlungsbau in der Westbank und in Ostjerusalem gestoppt sei. Das ZK habe die Obama-Administration aufgefordert, weiter Druck auf Israel auszuüben und die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) zu stärken. Man suche darüber hinaus auch eine Einigung mit der Hamas.

Die von Ägypten moderierten Gespräche zwischen Fatah und Hamas über eine palästinensische Regierung der nationalen Einheit dauern inzwischen seit sechs Monaten und wurden kürzlich ein weiteres Mal auf Ende August vertagt. Für Anfang 2010 sind Parlamentsneuwahlen geplant. Die Auszahlung von 4,5 Millionen US-Dollar Hilfsgeldern für den von Israel Anfang 2009 zerstörten Gazastreifen wurden von den westlichen Geberländern an die Bedingung geknüpft, daß die PA von Mahmud Abbas und nicht die Hamas über deren Vergabe entscheiden soll.

* Aus: junge Welt, 14. August 2009


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