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Brüssel will blockieren

EU gegen UN-Abstimmung über einen palästinensischen Staat

Von Karin Leukefeld *

Die Europäische Union versucht offenbar, eine von den Palästinensern angestrebte Abstimmung über die Gründung eines palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 in der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September zu verhindern.

Darauf deuten Äußerungen der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton hin, die sie gegenüber der israelischen Zeitung Haaretz am Rande des EU-Außenministertreffens am Montag (18. Juli) in Brüssel machte. Der Text einer entsprechenden Resolution sei noch nicht bekannt, sagte Ashton, davon hänge wesentlich das Abstimmungsverhalten der 27 EU-Staaten ab. Vielleicht werde es auch gar keine Resolution geben. Die EU werde alles tun, um vor einer Abstimmung die beiden Kontrahenten - Israel und Palästinenser - wieder an den Verhandlungstisch zu kriegen, »der Schlüssel« dafür läge in den Händen des Nahost-Quartetts (USA, Rußland, EU und UNO).

Israel lehnt eine Zwei-Staaten-Lösung in den Grenzen von 1967 ab und fordert statt dessen von den Palästinensern die Anerkennung Israels als »jüdischer Staat«. Seit Monaten arbeiten diplomatische Vertretungen Israels mit Multiplikatoren in Medien, Politik und Kultur daran, den Antrag der Palästinenser scheitern zu lassen. Die Bundesregierung hat bereits frühzeitig dem Druck Israels nachgegeben und den Palästinensern »empfohlen«, auf ihr Anliegen zu verzichten. Die USA haben ihr Veto gegen einen solchen Antrag angedroht. Mehr als 100 Abgeordnete des EU-Parlaments haben in einem Brief an die EU-Außenbeauftragte gefordert, Europa müsse die Palästinenser von ihrem Anliegen abbringen. Wichtiger sei, Israel und die Palästinenser wieder an einen Tisch zu bringen, das sei Aufgabe des Nahost-Quartetts. Die EU ist der größte Geldgeber der palästinensischen Autonomiebehörde.

In ihrer Abschlußerklärung bekräftigten die EU-Außenminister am Montag die »zentrale Rolle« des Nahost-Quartetts. Man unterstütze die »dauerhaften Bemühungen (von Ashton), zu einer glaubwürdigen Perspektive für die Wiederaufnahme des Friedensprozesses« zu kommen. Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern über eine Zwei-Staaten-Lösung müßten »dringend« wieder in Gang kommen. Ein Treffen des Quartetts war am Wochenende erfolglos in Washington zu Ende gegangen. Es war 2002 auf Initiative des damaligen spanischen Ministerpräsidenten José Maria Aznar gebildet worden, um den festgefahrenen Friedensprozeß zwischen Israel und den Palästinensern wieder in Gang zu bringen. Aktueller Koordinator in dem Vierergremium ist der frühere britische Premierminister Tony Blair. In den neun Jahren seit Bestehen des Quartetts, hat Israel seinen Siedlungsbau um ein Vielfaches erhöht und zusätzlich eine Mauer als »Schutzwall« gebaut.

Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas erklärte derweil, er halte an dem Antrag an die UNO-Vollversammlung fest, den Staat Palästina in den Grenzen von 1967 und mit Ostjerusalem als Hauptstadt anzuerkennen. Man wolle die Zustimmung des UN-Sicherheitsrates, sagte Abbas am Wochenende in Oslo. »Wenn wir dort scheitern, werden wir in die UNO-Vollversammlung gehen.« Dort könnten die Palästinenser selbst bei einer Ablehnung durch den UN-Sicherheitsrat zumindest den Status eines »Beobachterstaates« erhalten. Mehr als 100 Staaten haben bisher den Staat Palästina anerkannt, in der UNO sind 193 Nationen vertreten.

* Aus: junge Welt, 20. Juli 2011

Dokumentiert: Fatah-Beitrag und eine Stellungnahme aus dem israelischen Außenmkinisterium

Am 20. Juli 2011 veröffentlichte die Frankfurter Rundschau einen Gastbeitrag von Nabil Schaath, den wir im Folgenden in Auszügen dokumentieren.
Der palästinensische Politiker Nabil Schaath ist führendes Mitglied der Fatah. Er war schon 1991 bei den Verhandlungen in Madrid dabei. 2003 wurde er erster Außenminister der palästinensischen Autonomieregierung.

Im Anschluss daran geben wir eine Erklärung aus dem israelischen Außenministerium wieder, worin Präsident Peres der internationalen Kampagne "Friends of Israel Initiative" für ihre Arbeit dankt. Diese Arbeit besteht vor allem darin, "der Delegitimierungskampagne gegen Israel entgegenzutreten und für das israelische Recht auf Frieden und Sicherheit neben seinen Nachbarn einzutreten". Die Kampagne sieht es als wichtigstes Ziel an, eine Anerkennung Palästinas in den UN-Generalversammlung im Herbst d.J. zu verhindern.


Palästina braucht Europas Hilfe – jetzt

Von Nabil Schaath (Auszüge) **

(...) Wir brauchen die Hilfe Europas, wenn wir unsere Freiheit erzielen sollen. Deshalb bitten wir Palästinenser darum, sorgfältig zu lesen, was die israelische Regierung sagt. Ihr Premier, Benjamin Netanjahu, hat kürzlich seine tatsächliche Meinung kundgetan, wonach es sich um einen „unlösbaren Konflikt“ handele. Zipi Livni hat als israelische Oppositionsführerin daraufhin Herrn Netanjahu erwidert: „Für einen Moment lang haben Sie die Position fallen gelassen, die Sie sonst öffentlich vertreten, und gesagt, was Sie wirklich denken.“

Netanjahus Behauptung macht gewiss auch der Welt klar, dass dieser israelische Regierungschef, wenn man ihm das Verhandlungsgeschäft allein überlässt, niemals die Besatzung beenden wird, die uns unsere Freiheit versagt. Deshalb appellieren wir an die internationale Gemeinschaft, zu intervenieren und darauf zu bestehen, dass wir ein freies Land bekommen. Das steht hinter unserer Absicht, uns im September an die Generalversammlung der Vereinten Nationen zu wenden.

Es macht für uns keinen Unterschied, welche Art internationaler Prozess uns die Freiheit bringt: der Weg zu den UN oder eine gemeinsame Initiative von USA und Europa, vertreten im Nahost-Quartett. Frankreich hat jüngst einen solchen Vorschlag gemacht, den wir auch akzeptiert haben. Aber Israel eben nicht. (...)

Nochmals, achten Sie darauf, was Netanjahu jeweils so sagt. In seiner Rede vor dem US-Kongress etwa hat er sich für eine Zwei-Staaten-Lösung ausgesprochen, aber darauf bestanden, dass Israel eine „militärische Präsenz entlang des Jordan-Flusses“ behält. Man muss nur einen Blick auf die Landkarte werfen, um zu sehen, dass sein Konzept von einem palästinensischen Staat darauf hinausläuft, uns mit Grenzen zu umgeben, die von israelischen Soldaten abgesteckt und bewacht werden. Das ist nicht die Zwei-Staaten-Lösung, wie sie die gesamte internationale Gemeinschaft vertritt. Es ist eine Kein-Staaten-Lösung, soweit es sie die Palästinenser betrifft. Ein Staat, der keine Souveränität bei der Kontrolle seiner Grenzen besitzt, ist kein freier Staat, sondern ein besetztes Land.

(...) Er (Netanjahu) hat den Aufruf des Präsidenten der Vereinigten Staaten abgelehnt, auf Basis der Grenzen von 1967, korrigierbar durch einvernehmlichem Landtausch, zu verhandeln – gemeint ist damit die Grenze, die existierte, bevor Israel uns mit Militärgewalt besetzt hat. Israels Premier macht dabei geltend, es sei nicht möglich, die Grenzen von 1967 militärisch zu verteidigen. Aber eine Gruppe von kürzlich in den Ruhestand verabschiedeten Führern aus Israels Militär- und Geheimdienstapparat hat eine Friedensinitiative publik gemacht, die für ein Abkommen basierend auf den 67er Linien eintritt. Und der hervorragende israelische Militärhistoriker Martin van Creveld hat geschrieben, das Risiko sei für Israel „vernachlässigbar“.

(...) So beschreibt Martin van Creveld die Zukunft, wenn er Netanjahus falsche Argumente seziert: „Sollte Israel weiterhin über sie (die Palästinenser) herrschen, wird aus dem Land definitiv etwas werden, was es beinahe schon ist: nämlich ein Apartheidstaat, der seine Kontrolle nur mit Mitteln repressiver geheimpolizeilicher Aktionen aufrechterhalten kann.“ Das ist ein Israeli, der sich voller Besorgnis über sein eigenes Land äußert. Man stelle sich vor, wie die Lage auf Palästinenser wirkt. Wir brauchen Europas Hilfe und zwar jetzt.

** Der vollständige Gastbeitrag in: Frankfurter Rundschau, 20. Juli 2011; Internet: www.fr-online.de


Peres empfängt Delegation der "Friends of Israel Initiative"

Präsident Shimon Peres hat gestern in seinem Amtssitz in Jerusalem eine Delegation der „Friends of Israel Initiative“ empfangen. Leiter der Delegation war der ehemalige spanische Ministerpräsident José Maria Aznar. Außerdem gehörten ihr unter anderem der ehemalige US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, John Bolton, und Nobelpreisträger Lord David Trimble an.

Peres gab zunächst einen Überblick über die Lage. Im Anschluss informierte die Delegation über ihre Aktivitäten, vor allem die Kampagne, einseitige Schritte der Palästinenser bei den Vereinten Nationen zu verhindern.

Präsident Aznar erklärte: „Wir sind hier, um angesichts der unermüdlichen Difamierungskampagne gegen Israel dem Staat gegenüber unsere Unterstützung auszudrücken. Wir sind hier, um der Welt und Israel zu zeigen, dass Israel nicht allein ist. Israel ist eine westliche Demokratie im Nahen Osten. Wir sind hier, um zu zeigen, dass wir von einseitigen Aktionen nichts halten, da diese uns lediglich vom Verhandlungstisch entfernen werden. Dies ist besonders jetzt wichtig, wo wir damit konfrontiert sind, dass die Palästinenser eine Anerkennung durch die UNO im September anstreben. Wir glauben, dass nur direkte Gespräche zwischen den Parteien zum Frieden führen. Wenn wir einen langfristigen Frieden wollen, sind einseitige Schritte nicht der Weg.“

Peres erwiderte: „Ich bin dankbar für ihre Bemühungen für Israel und für ihren Mut und die moralische Integrität, dieses Thema offen anzusprechen und auszusprechen, dass eine einseitige Ausrufung eines Palästinenserstaates einen für die Palästinenser großen Schaden anrichten wird. Die Instabilität und die Spannungen in der Region würden sich dadurch vergrößern. In all meinen Treffen mit der Palästinenserführung rufe ich immer wieder dazu auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Ich weiß sicher, dass wir in unseren Positionen nicht allzu weit auseinanderliegen. Es gibt keine Alternative zu Verhandlungen“. Der Präsident fügte hinzu, dass er nach dem letzten Treffen des Nahost-Quartetts optimistisch sei.

Peres sagte außerdem: „Israel steht vor einer schwierigen internationalen Gemeinschaft mit einer automatischen Mehrheit gegen uns in den Vereinten Nationen. Ich sagte während eines schwierigen Treffen mit dem UN-Generalsekretär, dass die UN den Kopf nicht in den Sand stecken kann, während es sehr ernsthafte Bedrohungen in der Region gibt, einschließlich der Bewaffnung der Iraner und dem Aufruf Ahmadinejads, Israel zu vernichten und den Gaza-Streifen zu einem Satelliten-Regime zu machen.

Am Ende des Treffens sagte Aznar: „Wir werden weiterhin enthusiastisch überall und gegenüber allen für Israel eintreten.“

Die „Friends of Israel Initiative“ wurde 2010 gegründet, um der Delegitimierungskampagne gegen Israel entgegenzutreten und für das israelische Recht auf Frieden und Sicherheit neben seinen Nachbarn einzutreten. Alejandro Toledo, der ehemalige Präsident von Peru, und Vaclav Havel, der ehemalige Ministerpräsident der Tschechischen Republik, sind aktive Mitglieder der Initiative.

*** Außenministerium des Staates Israel, 14.07.11; Quelle: Newsletter der israelischen Botschaft in Berlin.




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