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Abbas "mit leeren Händen"

Scharfe arabische Kritik an Abkehr der USA von der Forderung nach einem israelischen Siedlungsstopp

Von Karin Leukefeld *

In arabischen Staaten und Medien gibt es harte Reaktionen auf die US-Kehrtwende beim illegalen israelischen Siedlungsbau. US-Außenministerin Hillary Clinton hatte am Wochenende bei einem Besuch im Nahen Osten die ursprüngliche US-Forderung nach einem Stopp des Siedlungsbaus fallenlassen. Es gebe »keine Hoffnungen auf Verhandlungen«, sagte Nabil Abu Rudeineh, Sprecher des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas. Wegen der »israelischen Unnachgiebigkeit und dem Zurückrudern Amerikas«, befinde man sich in einem »Zustand der Lähmung«. Nach wie vor Druck auf die Palästinenser auszuüben sei keine Lösung, erklärte Saeb Erekat, Chefunterhändler der Palästinenser, der seit dem Ende der Verhandlungen nach dem israelischen Überfall auf den Gazastreifen im Winter 2008/09 ohne Arbeit ist. Man könne keine weiteren Zugeständnisse machen, um Israel einen Gefallen zu tun. Ghassan Khatib, Sprecher der Palästinensischen Autonomiebehörde, sagte im arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira, er habe den Rückzieher von Frau Clinton »nicht erwartet«. Die Frage sei nun, wie es weitergehen könne, zumal Israel seine provozierenden »Aktivitäten in der Westbank und Ostjerusalem« gesteigert habe. Khatib kritisierte den Siedlungsbau, die fortgesetzte Vertreibung von Palästinensern aus Ostjerusalem und die Versuche von Siedlern, Muslimen den Zugang zur Al-Aksa-Moschee zu verweigern. Akiva Eldar von der israelischen Tageszeitung Haaretz bezeichnete das Verhalten der US-Außenministerin als »Verrat«, der vermutlich »mit der vollen Unterstützung des Präsidenten« begangen worden sei. Für Mouin Rabbani von der Vierteljahreszeitschrift Middle East Report war der Schwenk keine große Überraschung. Seit Anfang der 1990iger Jahre habe sich die US-Politik im Mittleren Osten nicht geändert, so Rabbani. Die US-Regierung unterstütze den israelischen Siedlungsbau, während sie »immer Druck auf die Palästinenser gemacht und Zugeständnisse gefordert« habe.

Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas hatte in den letzten Monaten mehrfach dem Drängen aus den USA nachgegeben, angeblich, um Israel zu neuen Verhandlungen zu bewegen. Der palästinensischen Sache hat das nicht genutzt, wohl aber die Position von Abbas gehörig geschwächt. Seine Drohung, bei den von ihm angekündigten Wahlen im Januar 2010 nicht als Präsident zu kandidieren, sofern der Siedlungsbau nicht gestoppt werde, hat niemanden beeindruckt. Abbas stünde »mit leeren Händen« vor den Palästinensern, beschreibt George Giacaman von der Birzeit-Universität (Westbank) die Situation: »Die Palästinensische Autonomiebehörde ist schwach und hat nichts erreicht.« Ohne glaubwürdige Politik sei ein neuer Aufstand gegen Israel nicht ausgeschlossen.

Der syrische Präsident Baschar Al-Assad erklärte bei einem Treffen mit EU-Abgeordneten in Damaskus, Europa müsse mehr gegen die bedrückende Situation der Palästinenser und gegen die israelische Blockade des Gazastreifens tun und über die wahren Zustände aufklären. Um innerpolitischem Druck zuvorzukommen, reagierte der jordanische König Abdullah II. mit einem Blitzbesuch in Kairo auf die Äußerungen von US-Außenministerin Clinton. In einer gemeinsamen Erklärung mit dem ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak hieß es, ein Friedensprozeß sei »unlogisch und unakzeptabel«, solange die Siedlungsaktivitäten, »besonders in Ostjerusalem« fortgesetzt würden. Israel weiche permanent seinen Verpflichtungen aus der »Road Map« aus, in der ein vollständiger Stopp des Siedlungsbaus gefordert werde. Jordanien und Ägypten sind die einzigen Staaten, die mit Israel ein Friedensabkommen geschlossen haben. Die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC), ein Zusammenschluß von 57 islamischen Staaten, forderte derweil den UN-Sicherheitsrat auf, eine Sondersitzung wegen der anhaltenden »Aggressionen« Israels im besetzten Ostjerusalem abzuhalten. Israel verletze das Völkerrecht, indem es den muslimischen Gläubigen den Zugang zur Al-Aksa-Moschee verweigere.

* Aus: junge Welt, 3. November 2009


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