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Abbas wirbt um Unterstützung

Mehrheit der UNESCO-Exekutivmitglieder stimmt für Aufnahme der Palästinenser

Von Karin Leukefeld *

Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mahmud Abbas, hat Europa aufgefordert, den »palästinensischen Frühling« zu unterstützen. Bei einer Rede vor der parlamentarischen Versammlung des Europarates in Strasbourg sagte Abbas am Donnerstag, Sicherheit im Mittleren Osten könne es nur durch Frieden geben, nicht durch Gewalt. »Der palästinensische Frühling hat begonnen, wir wollen Freiheit und ein Ende der israelischen Besatzung, wir verdienen Ihre Unterstützung.« Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton bekräftigte ihre Entschlossenheit, beide Seiten wieder an den Verhandlungstisch zu bringen. Der Vorschlag des Nahostquartetts aus EU, USA, UN und Rußland sieht ein erstes Treffen bis Ende Oktober vor. Israel hat einen neuen Zeitplan gefordert. Die PLO hat den Vorschlag kritisiert, weil er nicht die Einstellung des israelischen Siedlungsbaus beinhaltet.

Abbas forderte auch die Freilassung von 6000 palästinensischen Gefangenen, darunter 21 Abgeordnete. Seit zehn Tagen befinden sich rund 3000 Gefangene im Hungerstreik. Das Palästinensische Zentrum für Menschenrechte (PCHR) forderte die UN-Kommission für Menschenrechte auf, die Situation in den israelischen Gefängnissen zu untersuchen und Druck auf Israel auszuüben, seine Strafmaßnahmen gegen Gefangene einzustellen.

Der Europarat hatte dem palästinensischen Parlament am Dienstag (4. Okt.) den Status »Partner für Demokratie« verliehen. Über den Antrag auf Mitgliedschaft bei der UN, der derzeit im UN-Sicherheitsrat auf seine Beratung wartet, ist Europa zerstritten. Am Sonntag wird Abbas in Kolumbien erwartet, das enger Bündnispartner der USA ist und derzeit nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat. Das Land hat angekündigt, sich bei einer Abstimmung zu enthalten. Bisher haben sich Brasilien, China, Indien, Libanon, Rußland und Südafrika im Sicherheitsrat für den palästinensischen Antrag ausgesprochen. Für eine Zustimmung bedarf es mindestens neun Ja-Stimmen, die USA haben ihr Veto angekündigt.

Einen Erfolg konnten die Palästinenser allerdings bei der UNESCO verbuchen. Am Dienstag hatten sich 40 der 58 Mitglieder des Exekutivrates für die Aufnahme der Palästinenser in die UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) ausgesprochen, die Vollversammlung soll Ende Oktober in Paris über die Aufnahme abstimmen. Bisher haben die Palästinenser dort einen Beobachterstatus, zur Aufnahme benötigen sie zwei Drittel der 193 Stimmen. Die USA, Deutschland, Rumänien und Lettland stimmten gegen eine Mitgliedschaft in der UNESCO, 14 Staaten enthielten sich. Der palästinensische Außenminister Riad Al-Malki sagte in Ramallah, es habe im Vorfeld »enormen und unverständlichen« Druck gegeben, den Antrag zurückzuziehen. Aus Washington kam die Drohung, man werde der UNESCO das Geld kürzen, sollten die Palästinenser aufgenommen werden. Die USA bestreiten 22 Prozent des UNESCO-Budgets.

Als Mitglied der UNESCO könnten die Palästinenser ihr kulturelles Erbe besser verteidigen. Die Zerstörung von Teilen der historischen Altstadt von Hebron hatte das EU-Parlament 2002 als »nicht hinnehmbare Form der kollektiven Bestrafung des palästinensischen Volkes« verurteilt. 2010 hatte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verschiedene Grabstätten zum »nationalen israelischen Erbe« erklärt, darunter das Grab von Rachel in Bethlehem, das für die Muslime die Moschee Bilal Bin Rabah ist. Seit 1967 steht das Heiligtum unter israelischer Kontrolle, Muslimen ist der Zugang untersagt. Als Mitglied der UNESCO könnten die Palästinenser diese wie andere heilige Stätten als Weltkulturerbe vor israelischer Inanspruchnahme und Kontrolle bewahren.

* Aus: junge Welt, 8. Oktober 2011


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