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Greift bald Pakistans Militär ein?

Eskalation des Konflikts um den Regierungschef schürt die Furcht vor einem Putsch *

Der Konflikt in Pakistan eskaliert. Regierungsfeindliche Demonstranten stürmten das Gebäude des staatlichen Fernsehens und versuchten, zur Residenz des Premierministers vorzudringen.

Regierungsfeindliche Demonstranten in Pakistan haben den staatlichen Fernsehsender PTV in Islamabad gestürmt und den Sendebetrieb vorübergehend zum Erliegen gebracht. Die rund 1000 Demonstranten seien am Montag von Soldaten aus dem PTV-Gebäude gedrängt worden, sagte Informationsminister Pervaiz Rashid. Der Sender habe nach gut einer halben Stunde die Ausstrahlung wieder aufgenommen.

PTV-Direktor Athar Farooq erklärte, die mit Knüppeln bewaffneten Demonstranten hätten Geräte in der Redaktion beschädigt. Tote oder Verletzte wurden nicht gemeldet. Die Demonstranten fordern den Rücktritt des Regierungschefs, dem sie Wahlbetrug vorwerfen. Die Polizei teilte mit, rund einen Kilometer von der Residenz des Premierministers Nawaz Sharif entfernt sei es am Montag wieder zu Zusammenstößen von rund 3000 Demonstranten mit Sicherheitskräften gekommen. Nach Krankenhausangaben wurde ein Polizist verletzt. Am Wochenende waren mindestens drei Menschen getötet und mehr als 500 verletzt worden, als Demonstranten versuchten, zu Sharifs Residenz vorzudringen.

Das mächtige Militär hatte am Sonntagabend nach einer Sitzung im Armee-Hauptquartier zu einer politischen Lösung des Konflikts aufgerufen, »ohne Zeit zu verschwenden und ohne Gewalt anzuwenden«. Weiter hieß es in der Mitteilung: »Die Armee bleibt ihrer Rolle verpflichtet, die Sicherheit des Staates zu gewährleisten.« Die eskalierende Gewalt hat Sorge vor einem Eingreifen des Militärs geschürt, das bereits öfters geputscht hat.

* Aus: neues deutschland, Dienstag 2. September 2014

Sender besetzt

Hunderte regierungskritische Demonstranten haben am Montag den Sitz des pakistanischen Staatsfernsehens in Islamabad gestürmt und vorübergehend besetzt. Die Protestierenden verwüsteten nach Angaben des staatlichen Senders PTV Teile der Büros, bevor sie von Soldaten und Paramilitärs abgeführt wurden. Nahe der Residenz von Premierminister Nawaz Sharif gab es erneut schwere Zusammenstöße zwischen Demonstranten und der Polizei. Sie fordern den Rücktritt des Ministerpräsidenten, dem von der Opposition Betrug bei den Wahlen im Mai vergangenen Jahres vorgeworfen wird.

(jW, 02.09.2014)



Putschgefahr

Olaf Standke über den sich zuspitzenden Konflikt in Pakistan **

Am Wochenende forderten die seit Wochen andauernden Proteste gegen die Regierung in Islamabad die ersten Todesopfer, als die Polizei Demonstranten mit Gewalt am Vordringen zur Residenz von Premierminister Nawaz Sharif hinderte. Gestoppt hat sie das nur kurz. Am Montag stürmten Hunderte den staatlichen Fernsehsender PTV und brachten den Betrieb zeitweise zum Erliegen. Erst der Einsatz von Soldaten sorgte wieder für Ruhe. Aber wie lange wird sie anhalten? Die vom Oppositionspolitiker Imran Khan und dem Geistlichen Tahir ul-Qadri angeführten Demonstranten fordern den Rücktritt des Regierungschefs. Die Freude über seinen Wahlsieg vor 16 Monaten hielt nicht lange, längst regiert Frust im Land. Mehr Jobs, mehr Strom, mehr Sicherheit – kein Wahlversprechen wurde eingelöst.

Der einstige Cricket-Star Khan wirft Sharif zudem massive Wahlfälschung vor und verließ mit seinen Abgeordneten das Parlament. Qadri präsentiert sich als Kämpfer gegen Korruption und strebt ein Technokraten-Kabinett an – nur wer soll es installieren? Beide verbindet über den angestrebten Sturz Sharifs durch die Straße wenig. Verfassungsgemäß wäre der so wenig wie ein Eingreifen des Militärs, das offiziell noch auf politische Lösungen drängt. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass es nach der Macht im Atomwaffenstaat greifen würde. Auch Sharif wurde schon als Ministerpräsident weggeputscht.

** Aus: neues deutschland, Dienstag 2. September 2014 (Kommentar)


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