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Zardari nickt US-Strategie ab

Pakistans Präsident sprach vor beiden Häusern des Parlaments

Von Hilmar König, Delhi *

In seiner mit Spannung erwarteten Rede vor dem Parlament in Islamabad hat Pakistans Präsident Asif Ali Zardari am Samstag Barack Obamas »neue Afpak-Strategie« gelobt und der Opposition den Olivenzweig angeboten.

Besonders angetan zeigte sich das pakistanische Staatsoberhaupt von der in Aussicht gestellten US-Hilfe für zivile Zwecke. Mit diesem »Paket« sollen über einen Zeitraum von fünf Jahren 7,5 Milliarden Dollar nach Pakistan fließen. Das sei der »beste Weg, Extremismus durch Minderung der Armut zu bekämpfen«, äußerte Zardari. Washington bestätige damit die Auffassung Islamabads. Die »neue Strategie« des US-Präsidenten Barack Obama bewertete er vor diesem Hintergrund als »positiven Wandel«. Pakistan hatte in den rund zehn Jahren unter der Diktatur von General Pervez Musharraf elf Milliarden Dollar erhalten, die fast vollständig dem Militär zugeschanzt wurden bzw. in dunklen Kanälen versickerten. Washington will nun strikt die Verwendung der Finanzhilfe kontrollieren. »Blankoschecks« werde es nicht mehr geben. Für April ist in Japan zudem eine Geber-Konferenz für Pakistan angesetzt, die weitere Milliarden für das Land am Indus bereitstellen soll.

In seiner Ansprache ging Präsident Zardari weder auf Obamas Bemerkungen ein, dass die Schlupfwinkel der Al Qaida im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan ausgeräuchert werden müssten, noch auf die Vorwürfe hoher US-Militärs, der pakistanische Geheimdienst ISI unterhalte Verbindungen zu militanten Gruppen, die mit Al Qaida und den Taliban eng kollaborieren. Erst am Samstag wurde in der Nähe von Peshawar ein US-NATO-Nachschublager mit Raketen attackiert, wobei zahlreiche Lastwagen und Container zerstört oder beschädigt wurden. Doch bekräftigte Zardari den Willen seiner Regierung, als Schlüsselverbündeter des Pentagon im »Kampf gegen den internationalen Terrorismus« noch entschiedener gegen Militanz, Extremismus und Terrorismus vorzugehen. Dazu fühle man sich verpflichtet. Kritiker in Pakistan und in Indien merkten inzwischen an, Taliban und Al Qaida würden Obamas »Afpak-Strategie« und der Zustimmung Islamabads dazu nicht tatenlos zusehen, sondern mit verstärkten Anschlägen darauf reagieren.

Innenpolitisch versuchte Asif Ali Zardari, sein schwer angeschlagenes Image aufzubessern, indem er der oppositionellen Muslimliga (N) seines Rivalen und Ex-Premiers Nawaz Sharif den Olivenzweig zur Versöhnung reichte: Pakistan stehe vor vielen Problemen. Deshalb müsse es nicht noch zusätzlich Herausforderungen schaffen, »die aus seiner Demokratie heraus rühren«. Er kündigte an, die von ihm verhängte Gouverneursherrschaft in der einflussreichsten Provinz Punjab zu beenden. Seine Volkspartei werde die Muslimliga(N), die dort zuvor die Regierung stellte und wieder stellen wird, voll unterstützen. Es wird erwartet, dass Nawaz Sharifs Bruder Shabaz erneut das Amt des Provinzchefs übernimmt.

In einem Punkt enttäuschte Zardari alle Erwartungen. Es war spekuliert worden, er werde alle von Musharraf übernommenen Sondervollmachten als Staatsoberhaupt zu den Akten legen. Doch konnte Zardari sich nur zu der Anregung durchringen, ein parlamentarisches Komitee solle jene Gesetze aus der Musharraf-Ära prüfen und ändern lassen, die das Staatsoberhaupt politisch mächtiger als den Premier und das Parlament machen.

* Aus: Neues Deutschland, 30. März 2009

Anschläge und Angriffe

Kritiker in Pakistan und in Indien im Anschluss an Zardaris Rede an, Taliban und Al-Qaida würden Obamas "Afpak-Strategie" und der vorbehaltlosen Zustimmung Islamabads nicht tatenlos zusehen, sondern mit verstärkten militärischen Aktivitäten darauf reagieren. Am Sonntag (29. März) haben Aufständische einen Kontrollposten mit zwölf Polizisten etwa 35 Kilometer südöstlich von Peschawar umzingelt und die Beamten entführt, teilte ein Behördenvertreter in der an Afghanistan grenzenden Unruhe-Region Khyber mit.
Am Samstag (28. März) wurde ebenfalls nahe Peschawar ein US-NATO-Nachschublager mit Raketen attackiert, wobei zahlreiche Lastwagen und Container zerstört oder beschädigt worden waren. Und in der östlichen Provinz Paktia starben am Sonntag drei Mitglieder einer frisch ausgebildeten Eliteeinheit der Armee bei einem Bombenanschlag. (jW)

Bewaffnete Kämpfer haben am Montag (30. März) eine Polizeiakademie in Pakistan angegriffen und dabei mindestens acht Beamte getötet. 20 weitere wurden bei dem Angriff nahe der Stadt Lahore im Osten des Landes verletzt, wie Behördenvertreter erklärten. Demnach sei am Morgen das Feuer auf die Polizeibeamten eröffnet worden, als diese sich auf ein Training vorbereiteten. Auch Handgranaten wurden geworfen. Bei einem anschließenden Feuergefecht wurden mindestens acht Polizisten getötet. Die Zahl der Angreifer war zunächst unklar. Fernsehbilder zeigten Beamte, die blutend am Boden lagen. Die Polizei rief paramilitärische Truppen zur Verstärkung. (AP)

Nach einem Angriff auf eine Polizeischule im Osten Pakistans mit mindestens 20 Toten haben sich Angreifer und Sicherheitskräfte heftige Kämpfe geliefert. Er hoffe auf ein baldiges Ende der Kämpfe in dem Ausbildungszentrum in Manawan nahe der Stadt Lahore, sagte ein ranghoher Polizeivertreter dem Fernsehsender Express. Die Angreifer hätten die Sicherheitskräfte überrascht. Nach Angaben der Polizei kamen bei dem Angriff mindestens 20 Menschen ums Leben; es wurden jedoch weitaus mehr Opfer befürchtet.
Etwa 60 verwundete Polizisten seien in Krankenhäuser gebracht worden, sagte ein Vertreter der Rettungskräfte. "Wir fürchten, dass die Zahl der Toten auf 50 oder 60 steigt, da die Angreifer Granaten in Gruppen von Polizisten geworfen haben." Ein Polizeivertreter sprach von zehn bis zwölf "Terroristen", die mit Gewehren und Granaten ausgerüstet das Ausbildungslager angegriffen hätten. Die Angreifer hatten sich ersten Erkenntnissen zufolge als Polizisten getarnt und so Zugang zu dem Ausbildungszentrum bekommen. Fernsehsender berichteten zudem von Geiselnahmen. Für diese Angaben gab es zunächst keine offizielle Bestätigung. (AFP)

Quellen: junge Welt, AP, AFP, 30. März 2009;



Blutbad in Polizeischule

Schock in Lahore - Terroristen haben am Montag (30. März) morgen in aller Frühe einen Anschlag auf eine Polizeiakademie am Rande der Stadt verübt und ein Blutbad unter den Sicherheitskräften angerichtet. Erst nach mehreren Stunden konnten die Sicherheitskräfte die Extremisten überwältigen. Nach Angaben eines Regierungssprechers wurden acht der Täter getötet, darunter zwei, die sich selbst in die Luft sprengten. Mindestens elf Beamte wurden getötet und über 90 verletzt. Sechs Bewaffnete wurde festgenommen. Wer hinter dem Überfall steckt, war unklar. Augenzeugen beschrieben die Täter als »bärtige, junge Männer«.

Die Angaben zu den Opfern schwankten allerdings stark, solange die Sicherheitskräfte noch keine völlige Kontrolle über das Gelände erlangt hatten. Nach Zeugenaussagen hatte sich schätzungsweise ein Dutzend Attentäter Zugang zur Akademie verschafft, wo die Rekruten gerade mit ihrem Morgentraining beschäftigt waren, als die Terroristen mehrere Sprengsätze zündeten und das Feuer aus halbautomatischen Waffen eröffnen. Auf dem Gelände, wo sich zu diesem Zeitpunkt etwa 700 bis 800 angehende Polizisten befanden, brach Panik aus, Flüchtende rannten um ihr Leben, während andere, tot oder schwer verletzt, am Boden lagen.

90 Minuten nach dem Anschlag waren Spezialkräfte der Armee am Tatort angelangt und lieferten sich mit den Attentätern Feuergefechte, während Rettungskräfte in mittlerweile verfügbaren gepanzerten zumindest einige der Verletzten bergen konnten. Die Konfusion hielt allerdings weiter an, da weder klar war, um wie viele Angreifer genau es sich handelt, noch, wo überall in dem Gebäudekomplex sie sich verschanzt haben. Zumindest einige, wenn nicht gar alle Attentäter trugen Polizeiuniformen.

Von den Behörden wurde über das umliegende Gebiet der Ausnahmezustand verhängt. Führende Politiker verurteilten den Anschlag, Präsident Asif Ali Zardari zeigte sich bestürzt. Premier Yousuf Raza Gilani sprach den Familien der Opfer sein Beileid aus. Ein Vertreter des Innenministeriums äußerte die Vermutung, daß ausländische Kräfte im Verbund mit militanten Islamisten hinter dem Angriff stecken könnten.

Es ist der zweite größere Terrorakt binnen eines Monats in Lahore. Am 3. März war die srilankische Kricket-Nationalmannschaft bei einem Anschlag gerade noch mit dem Schrecken davongekommen. Sechs Polizisten starben, als die zwölf Angreifer das Feuer auf den Konvoi eröffneten. Zudem waren am 26. März zwölf Personen getötet und 25 verwundet worden, als sich in den Stammesgebieten des Nordwestens ein Selbstmordattentäter in einem Straßenlokal in die Luft sprengte. Eine der beiden großen pakistanischen Taliban-Gruppen bekannte sich zu dem Anschlag, der einem Stammesführer gegolten hatte, dessen Privatmiliz gegen die Militanten kämpft.

* Aus: junge Welt, 31. März 2009


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