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Zardari für nationale Aussöhnung

Pakistans Präsident sieht seine Position trotz Wiedereinsetzung von Chefrichter Chaudhry nicht als geschwächt an. Expremier Sharif fordert zur Zusammenarbeit auf

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Die Wiedereinsetzung Iftikhar Chaudhrys als Chefrichter Pakistans hat in der politischen Landschaft gehörig Staub aufgewirbelt. Am 22. März offiziell wieder in dieses Amt zurückgekehrt, war Chaudhry am Dienstag zum ersten Arbeitstag in seinem Büro erschienen. Von seinen Kollegen mit begeistertem Beifall empfangen, rief er dazu auf, der auch in der Justiz verbreiteten Korruption ein Ende zu bereiten. Man müsse zuerst das »eigene Haus in Ordnung bringen«.

Vor anderthalb Jahren war Chaudhry vom damaligen Diktator General Pervez Musharraf während des Ausnahmezustands entlassen worden. Eine breite Bürgerrechtskampagne, vehement unterstützt von der Muslimliga (N) des früheren Premiers Nawaz Sharif, erzwang nun die Wiedereinsetzung des als integer geltenden Chaudhry und von rund 60 der mit ihm geschaßten Richter und Anwälte. Präsident Asif Ali Zardari hatte diese Entscheidung verschleppt, sah sich am 16. März jedoch angesichts einer ausufernden politischen Krise und unter zunehmendem Druck der USA und des pakistanischen Militärs gezwungen, die Wiedereinsetzung zu verkünden.

Der Präsident trat anschließend die Flucht nach vorn an und plädierte öffentlich für »nationale Aussöhnung im Geiste von Toleranz, Entgegenkommen und Achtung vor abweichenden Meinungen«. Zum Nationalfeiertag am Montag erklärte er, es sei Zeit, »die Vergangenheit zu vergessen und nach vorn zu schauen«. Die Rückkehr Chaudhrys habe seine Position als Staatsoberhaupt nicht geschwächt, behauptete er. Sie solle als ein weiterer Schritt »im evolutionären Prozeß der Stärkung der pakistanischen Institutionen« bewertet werden. Premier Jusuf Raza Gilani berief unterdessen eine gemeinsame Sitzung beider Häuser des Parlaments für Samstag ein, auf der Präsident Zardari seine Visionen darlegen wird, wie die Regierung die vielfältigen Herausforderungen und Aufgaben in Angriff nehmen will.

Der in den letzten Wochen höchst populär gewordene Nawaz Sharif schlug nach seinem Sieg in der Kontroverse mit Zardari versöhnliche Töne an, die allerdings mit Vorsicht zu genießen sind. Gegen den Präsidenten, den er während der Bürgerrechtskampagne schonungslos attackiert hatte, hege er keinen persönlichen Groll. Allerdings brauche es Zeit, wieder Vertrauen zu dessen regierender Volkspartei (PPP) aufzubauen Er forderte alle politischen Parteien, einschließlich der PPP, zur Zusammenarbeit auf. Die Rückkehr der Richter und Anwälte sei nur der Anfang. Von nun ab solle das Parlament alle Entscheidungen treffen. Jetzt müsse die gesamte »Charta für Demokratie«, die von ihm und Benazir Bhutto 2006 ausgearbeitet worden war, in Angriff genommen werden. Man müsse gemeinsam Gesetz und Ordnung und Gerechtigkeit gewährleisten sowie Arbeitslosigkeit, Armut und Notstand im Bildungs- und Gesundheitswesen den Kampf ansagen, »um Pakistan zu einem zivilisierten Land zu machen«. Sharif unterstrich auch die Notwendigkeit, das Verhältnis zu Indien wiederzubeleben und Gespräche zur friedlichen Lösung des Kaschmirkonfliktes zu beginnen.

* Aus: junge Welt, 26. März 2009


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