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Straßenschlacht in Lahore

Pakistans Präsident Zardari unter Druck

Von Hilmar König, Delhi *

Nach Monaten relativer Ruhe wird Pakistan erneut von einer schweren innenpolitischen Krise erschüttert. Im Machtkampf mit Staatschef Asif Ali Zardari setzte sich Oppositionsführer Nawaz Sharif am Sonntag (15. März) in Lahore trotz eines gegen ihn verhängten Hausarrests an die Spitze eines »Langen Marsches« mit tausenden Anhängern auf Islamabad. Die Hauptstadt wurde von den Sicherheitskräften derweil in eine Festung verwandelt.

»Die Zeit ist gekommen, dass wir Hand in Hand marschieren«, rief Nawaz Sharif seinen Anhängern zu, als er sein Haus in Lahore verließ. Der gegen ihn verhängte Hausarrest sei »illegal und unmoralisch«, sagt er. »Alle diese Entscheidungen sind verfassungswidrig.« Vor dem Haus von Sharif, wo mehr als 500 regierungsfeindliche Demonstranten »Tod für Zardari« riefen, nahm die Polizei mehr als ein Dutzend Anhänger des Oppositionspolitikers fest.

Mit dem Sternmarsch aus den Provinzen Belutschistan, Punjab und Sindh verlangen die Demonstranten die Wiedereinsetzung des regierungskritischen Chefrichters Ifthikar Chaudhry, der 2007 im Zuge des von General Pervez Musharraf verhängten Ausnahmezustands abgesetzt worden war.

Im Zentrum der politischen Krise steht nach wie vor Präsident Asif Ali Zardari. Nach energischem Drängen von Premier Jusuf Raza Gilani und Armeechef Ashfaq Parvez Kayani sowie nach mehreren Telefonaten zwischen Washington und Islamabad bequemte sich Zardari, inzwischen höchst unpopulär geworden, zu einem »Konzessionspaket«: Die Regierung werde gegen das Urteil des Höchsten Gerichts vom 25.Februar Berufung einlegen. Eben dieses Urteil schloss Oppositionsführer Nawaz Sharif und seinen Bruder Shabaz von allen öffentlichen Ämtern aus und untersagte ihnen jegliche Wahlbeteiligung. Shabaz Sharif verlor daraufhin sofort seinen Posten als Chefminister der Provinz Punjab.

In dem »Konzessionspaket« ließ Präsident Zardari nun versichern, der Streit über die Wiedereinsetzung des Chefrichters und der anderen Gefeuerten werde »in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Charta der Demokratie« gelöst werden. Die Charta war 2006 von Benazir Bhutto und Nawaz Sharif vereinbart worden. Aber Zardari als politischer Erbe seiner Ende Dezember 2007 ermordeten Gattin Benazir Bhutto hat sie bislang weitgehend ignoriert.

Die Reaktion auf seine angebliche Kompromissbereitschaft war am Sonntag äußerst kühl. Nur noch wenige Politiker vertrauen dem Präsidenten, der seit seinem Amtsantritt mehrmals Versprechen brach. Selbst in der regierenden Volkspartei (PPP) kriselt es. Informationsministerin Sherry Rehman, einst eine der engsten Vertrauten Benazir Bhuttos, legte ihr Amt nieder. Sie protestierte damit gegen das zeitweilige Blockieren des kritischen privaten Nachrichtenkanals »Geo News TV«.

Nawaz Sharif sprach am Sonntag (15. März) zunächst zu einer Menschenmenge, die sich vor seiner von hunderten Polizisten umzingelten Residenz in der Nähe von Lahore versammelt hatte. Er forderte sie auf, den langen Marsch trotz Verbots fortzusetzen. Es handele sich um eine »Menschenflut, die alle Barrieren niederreißen und, so Gott will, ihren Bestimmungsort erreichen wird«, rief er aus. Die Protestaktion soll am Montag mit einem unbefristeten Sitzstreik vor dem Parlament in der Hauptstadt Islamabad ihren Höhepunkt erreichen. Doch die Hauptstraße zum Parlamentsgebäude wurde inzwischen mit Containern zugestellt. Sicherheitskräfte sind aufmarschiert. Die Armee will im Notfall eingreifen, wenn die Ordnungshüter ihren Aufgaben nicht gewachsen sein sollten.

Die USA, die Pakistan als wichtigen Verbündeten im »Krieg gegen den internationalen Terrorismus« brauchen, zeigten sich schockiert über die tiefe politische Krise. Außenministerin Hillary Clinton telefonierte mit den pakistanischen Spitzenpolitikern und mahnte zur Vernunft, zu Verhandlungen und Kompromissen. Admiral Mike Mullen, Chef der US-Streitkräfte, äußerte, General Kayani, sein Amtskollege in Pakistan, komme für einen Militärputsch nicht in Frage, da er ein engagierter Befürworter der Demokratie sei.

Kayani beriet, wie offiziell mitgeteilt wurde, mit Zardari und Premier Gilani »die politische Situation«. Hinter vorgehaltener Hand nennt man in Islamabad Premier Gilani als den kommenden Mann, denn er sei flexibel und könne sich sowohl mit Kayani als auch mit den USA verständigen.

* Aus: Neues Deutschland, 16. März 2009


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