Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Seitenwechsel in Wasiristan

Westpakistanische Stämme gehen gegen ausländische Kämpfer vor

Von Hilmar König, Delhi *

Bei Kämpfen im westpakistanischen Stammesgebiet sind seit März 300 ausländische Militante, die enge Kontakte zu afghanischen Taliban und zu Al Qaida unterhielten, von Paschtunen-Milizen getötet worden.

Bislang hatte die Regierung in Islamabad verneint, in Kämpfe in der Region Südwasiristan, die zu den halbautonomen, föderal Verwalteten Stammesgebieten (FATA) gehört, eingegriffen zu haben. Am Donnerstag gab Präsident Pervez Musharraf nun aber zu, die Armee habe die Stammesmilizen unterstützt, nachdem diese Hilfe angefordert hatten. »Das zeigt, dass unsere Politik der Friedenspakte mit den lokalen Stämmen effektiv ist«, erklärte der General und wies damit indirekt Vorwürfe der USA und Westeuropas zurück, Islamabad gehe nicht konsequent genug gegen Taliban und Al Qaida vor.

Die Regierung schloss mit Stammesmilizen in Südwasiristan im Jahre 2005 und in Nordwasiristan 2006 Friedensvereinbarungen. Im Kern enthielten sie die Zusicherung des Militärs, in diesen Gebieten nicht mehr zu operieren. Immerhin sind an der pakistanisch-afghanischen Grenze rund 80 000 Soldaten stationiert, und mehr als 700 sollen in den vergangenen fünf Jahren in Gefechten gefallen sein. Im Gegenzug verpflichteten sich die Stammesführer, den Bewegungsspielraum der Taliban und der Al-Qaida-Kämpfer einzuschränken und besonders deren Überwechseln nach Afghanistan zu unterbinden.

Nachdem USA-Vizepräsident Richard Cheney Anfang März Pakistan einen überraschenden Blitzbesuch abgestattet und General Musharraf gedrängt hatte, sich »aggressiver im Krieg gegen den Terrorismus« zu engagieren, schlugen die Stammesmilizen in Südwasiristan plötzlich gegen die Ausländer, meistens bewaffnete usbekische Anhänger der Islamischen Bewegung Usbekistans von Tahir Juldaschew, los. Vermittlungsversuche von islamischen Führern und Politikern des Bündnisses Muttahida-Majlis-e-Amal schlugen fehl.

Angeblich hatten sich die Usbeken die Gastfreundschaft der Paschtunenstämme erkauft. Die Regierung, so pakistanische Insider, habe diese Summen nun wohl beträchtlich überboten und folge einem Konzept von »Teile und herrsche«. Anders ließe sich der Gesinnungswandel der Stammesmilizen nicht erklären. Ihr Führer Mullah Nasir beschuldigte die Usbeken verbrecherischer Aktivitäten und forderte als erstes die Abgabe ihrer Waffen, wenn sie weiterhin in der Region bleiben wollen. Auch in anderen Gegenden der FATA soll der Widerstand einheimischer Milizen gegen Fremde angewachsen sein.

Islamabad kann eine solche Entwicklung nur begrüßen, auch wenn damit das Grundproblem nicht gelöst wird. Dazu erklärte die Awami National Party, die für moderate Paschtunen spricht, am Ende der jetzigen Kämpfe würde lediglich eine militante Gruppierung durch eine andere ersetzt. Die Stämme sollten in einen demokratischen Prozess integriert und die Gesetze des Landes auch in der FATA angewendet werden. Wenn man wirklich den dort vorherrschenden Waffenkult ausrotten wolle, dürfe Parteien nicht länger verwehrt werden, sich unter den Stämmen zu etablieren. Das Ziel müsse sein, die FATA zu einem Teil der pakistanischen Nordwest-Grenzprovinz zu machen. Doch dafür fehle jedes Anzeichen.

* Aus: Neues Deutschland, 14. April 2007


Zurück zur Pakistan-Seite

Zur Afghanistan-Seite

Zurück zur Homepage