Seitenwechsel in Wasiristan
Westpakistanische Stämme gehen gegen ausländische Kämpfer vor
Von Hilmar König, Delhi *
Bei Kämpfen im westpakistanischen Stammesgebiet sind seit März 300 ausländische Militante, die
enge Kontakte zu afghanischen Taliban und zu Al Qaida unterhielten, von Paschtunen-Milizen getötet worden.
Bislang hatte die Regierung in Islamabad verneint, in Kämpfe in der Region Südwasiristan, die zu
den halbautonomen, föderal Verwalteten Stammesgebieten (FATA) gehört, eingegriffen zu haben. Am Donnerstag gab Präsident Pervez Musharraf nun aber zu, die Armee habe die Stammesmilizen
unterstützt, nachdem diese Hilfe angefordert hatten. »Das zeigt, dass unsere Politik der Friedenspakte mit den lokalen Stämmen effektiv ist«, erklärte der General und wies damit indirekt Vorwürfe der USA und Westeuropas zurück, Islamabad gehe nicht konsequent genug gegen Taliban
und Al Qaida vor.
Die Regierung schloss mit Stammesmilizen in Südwasiristan im Jahre 2005 und in Nordwasiristan
2006 Friedensvereinbarungen. Im Kern enthielten sie die Zusicherung des Militärs, in diesen
Gebieten nicht mehr zu operieren. Immerhin sind an der pakistanisch-afghanischen Grenze rund 80 000 Soldaten stationiert, und mehr als 700 sollen in den vergangenen fünf Jahren in Gefechten
gefallen sein. Im Gegenzug verpflichteten sich die Stammesführer, den Bewegungsspielraum der
Taliban und der Al-Qaida-Kämpfer einzuschränken und besonders deren Überwechseln nach
Afghanistan zu unterbinden.
Nachdem USA-Vizepräsident Richard Cheney Anfang März Pakistan einen überraschenden
Blitzbesuch abgestattet und General Musharraf gedrängt hatte, sich »aggressiver im Krieg gegen
den Terrorismus« zu engagieren, schlugen die Stammesmilizen in Südwasiristan plötzlich gegen die
Ausländer, meistens bewaffnete usbekische Anhänger der Islamischen Bewegung Usbekistans von
Tahir Juldaschew, los. Vermittlungsversuche von islamischen Führern und Politikern des
Bündnisses Muttahida-Majlis-e-Amal schlugen fehl.
Angeblich hatten sich die Usbeken die Gastfreundschaft der Paschtunenstämme erkauft. Die
Regierung, so pakistanische Insider, habe diese Summen nun wohl beträchtlich überboten und folge
einem Konzept von »Teile und herrsche«. Anders ließe sich der Gesinnungswandel der
Stammesmilizen nicht erklären. Ihr Führer Mullah Nasir beschuldigte die Usbeken verbrecherischer
Aktivitäten und forderte als erstes die Abgabe ihrer Waffen, wenn sie weiterhin in der Region bleiben
wollen. Auch in anderen Gegenden der FATA soll der Widerstand einheimischer Milizen gegen Fremde angewachsen sein.
Islamabad kann eine solche Entwicklung nur begrüßen, auch wenn damit das Grundproblem nicht
gelöst wird. Dazu erklärte die Awami National Party, die für moderate Paschtunen spricht, am Ende
der jetzigen Kämpfe würde lediglich eine militante Gruppierung durch eine andere ersetzt. Die
Stämme sollten in einen demokratischen Prozess integriert und die Gesetze des Landes auch in der
FATA angewendet werden. Wenn man wirklich den dort vorherrschenden Waffenkult ausrotten
wolle, dürfe Parteien nicht länger verwehrt werden, sich unter den Stämmen zu etablieren. Das Ziel
müsse sein, die FATA zu einem Teil der pakistanischen Nordwest-Grenzprovinz zu machen. Doch dafür fehle jedes Anzeichen.
* Aus: Neues Deutschland, 14. April 2007
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