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Weichen gestellt

Pakistans Präsident General Pervez Musharraf sichert umfassend seine Wiederwahl ab

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

In Pakistan beginnen sich die politischen Ereignisse kurz vor der Präsidentenwahl zu überschlagen. General Pervez Musharraf zieht alle Register, der Opposition jeglichen Wind aus den Segeln zu nehmen und seine Wiederwahl am 6. Oktober abzusichern. Am Dienstag (2. Okt.) ernannte er seinen Nachfolger als Chef der Streitkräfte. Es wird der ehemalige Generaldirektor des Geheimdienstes ISI (Inter-Services Intelligence), Generalleutnant Ashfaq Kiyani, sein. Natürlich ist dieser ein Vertrauter Musharrafs. Am gleichen Tag wurde Generalleutnant Tariq Majid zum Stabschef ernannt. Auch er genießt das volle Vertrauen des Präsidenten. Der hatte bereits am 21. September Generalleutnant Nadim Taj, einen Verwandten seiner Ehefrau, zum neuen ISI-Direktor befördert. So sorgt Musharraf für Kontinuität. Seine Verbindungen zum militärischen Establishment bleiben stark, auch wenn er sein Versprechen halten und nach den Wahlen die Uniform an den Haken hängen sollte. Der politische Analyst Talat Masud sieht in diesen Maßnahmen des Generals den Beweis, daß er seine Ankündigungen wahr macht. Talat hofft, daß Kiyani sich mehr auf professionelle Angelegenheiten konzentriert und die Beteiligung des Militärs am politischen Geschäft reduziert. Dieses würde zur Domäne Musharrafs werden.

Eisenbahnminister Sheikh Rashid, enger Mitarbeiter des Präsidenten, gab am Dienstag (2. Okt.) eine weitere fast sensationelle Entscheidung bekannt. Nach einem Meeting mit Premier Shaukat Aziz teilte er mit, daß alle Korruptionsvorwürfe gegen Benazir Bhutto – die ehemalige Premierministerin, die seit 1999 im Exil in London und Dubai lebt und ihre Rückkehr in die Heimat für den 18. Oktober angekündigt hat – fallengelassen werden. Laut Rashid wird dazu in Kürze ein Präsidialerlaß Mu­sharrafs erwartet. Diese Amnestie soll auch für andere Politiker gelten, die für Vergehen zwischen 1985 und 1999 (als Musharraf putschte) ins Zwielicht geraten waren. Ob das auch auf Expemier Nawaz Sharif zutrifft, wurde nicht ausdrücklich erwähnt. Zumindest kann Frau Bhutto nun beruhigt die Koffer für die Rückreise packen und sich auf die Parlamentswahlen, die bis Mitte Januar 2008 stattfinden müssen, vorbereiten.

Fast ging in diesem Wust von Nachrichten unter, daß am Dienstag (2. Okt.) 85 Parlamentsabgeordnete der islamischen Koalition Muttahida-Majlis-e-Amal und der Pakistanischen Muslimliga (Nawaz) ihren Rücktritt erklärten. Sie weigern sich, an der Präsidentenwahl teilzunehmen, da sie es als verfassungswidrig betrachten, daß Musharraf in seiner allmächtigen Doppellfunktion als Noch-Armeechef und als Staatspräsident zur Wiederwahl kandidiert. Vor ein paar Tagen hatten auch Juristen und Aktivisten der Opposition dagegen protestiert, wobei es zu blutigen Zusammenstößen mit der Polizei kam. Doch das Oberste Gericht hatte vorige Woche ziemlich überraschend die Zulassung Musharrafs zur Präsidentenwahl bestätigt.

Die massenhafte Niederlegung der Parlamentsmandate schmälert zwar den Wert der Wahl am 6. Oktober, doch ändert sie nichts an deren voraussichtlichem Resultat. Das Votum geben die Mitglieder des Parlaments sowie der vier Provinzversammlungen ab. Die regierende Koalition von Präsident Musharraf hat in diesen Gremien insgesamt eine Mehrheit.

Zum »Schönwetter« in der Wahlwoche sorgte der General zudem mit der Freilassung Dutzender Oppositioneller. Sie waren in den letzen Wochen bei Protestbekundungen festgenommen worden waren. Von den 43 Bewerbern um das Amt als Staatspräsident akzeptierte die nationale Wahlkommission inzwischen außer General Musharraf noch fünf weitere Kandidaten. Ob mit oder ohne Musharraf an der Spitze des Militärs, am prowestlichen Kurs Pakistans und an seiner Funktion als »Sonderpartner« der NATO im »Krieg gegen den internationalen Terrorismus« wird sich nichts ändern.

* Aus: junge Welt, 5. Oktober 2007


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