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"Entweder mit uns oder gegen uns"

Hintergrund. Strategische Partnerschaft heißt, nie um Verzeihung zu bitten – über das widersprüchliche Verhältnis zwischen den USA und Pakistan

Von Knut Mellenthin *

In seiner 2006 erschienenen Biographie berichtete der damalige Präsident Pervez Musharraf, daß die US-Regierung ihm nach dem 11. September 2001 gedroht habe, Pakistan »in die Steinzeit zu bomben«, falls er nicht alle ihm gestellten Forderungen erfüllen würde. Dieses Ultimatum habe der damalige stellvertretende Außenminister, Richard Armitage, dem Generaldirektor des pakistanischen Geheimdienstes ISI, Mahmood Ahmed, mitgeteilt. Ahmed befand sich zu dieser Zeit gerade zu einem langen Arbeitsbesuch in Washington. Er war dort am 4. September angekommen, hätte eigentlich am 11. abreisen sollen, blieb aber aufgrund der Ereignisse noch bis zum 16. des Monats.

Zunächst war Musharraf – seiner eigenen Schilderung zufolge – am 12. September aus einer Sitzung gerufen worden, um von Außenminister Colin Powell die nicht näher erläuterte telefonische Warnung entgegenzunehmen, »Ihr seid entweder mit uns oder gegen uns«. Am folgenden Tag habe dann Armitage zu Ahmed gesagt, falls sich Pakistan »für die Terroristen entscheide«, müsse es damit rechnen, »in die Steinzeit zurückgebombt zu werden«.

Gute, alte Zeit

Armitage widersprach dieser Darstellung sofort nach ihrer Veröffentlichung im September 2006 und behauptete, er habe Ahmed lediglich dieselbe unbestimmte Warnung mitgeteilt, die der Präsident schon von Powell gehört hatte. Generalstabschef Musharraf, der sich 1999 mit dem mutmaßlichen Segen der US-Regierung an die Macht geputscht hatte, hätte gewiß Gründe gehabt, die Bombendrohung zu konstruieren oder aufzubauschen, um sein Eingehen auf die amerikanischen Forderungen zu rechtfertigen. Tatsächlich entsprach das vom ihm berichtete Ultimatum aber exakt, wenn auch in brutaler, undiplomatischer Form, der von Präsident George W. Bush am 20. September offiziell verkündeten Doktrin: »Wir werden gegen Staaten vorgehen, die dem Terrorismus Hilfe oder sichere Stützpunkte gewähren. Jeder Staat, in jeder Region, muß jetzt eine Entscheidung treffen. Entweder seid ihr mit uns oder gegen uns. Von diesem Tag an werden die Vereinigten Staaten jede Nation, die weiterhin Terroristen beherbergt oder unterstützt, als feindliches Regime betrachten.«

Musharraf schreibt in seinem Buch weiter, daß die amerikanische Botschafterin in Islamabad, Wendy Chamberlain, ihm am 13. September 2001 ein aus sieben Punkten bestehendes, detailliertes Ultimatum übergeben habe. Unter anderem habe die US-Regierung uneingeschränkte Überflug- und Landerechte für ihre militärischen und geheimdienstlichen Operationen gegen Afghanistan gefordert. Darüber hinaus hätten die Amerikaner Bewegungsfreiheit auf dem Territorium Pakistans verlangt, einschließlich der Benutzung von Häfen und Luftwaffenstützpunkten. Weitere Punkte betrafen den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zur Taliban-Regierung in Kabul und die Unterdrückung aller Äußerungen, die von den USA als »Unterstützung des Terrorismus« interpretiert werden könnten.

Wenn’s nicht wahr ist, ist es gut erfunden. Die US-amerikanischen Mainstreammedien sind in diesen aufgeregten Tagen jedenfalls gern bereit, Musharrafs damalige Darstellung als wahr zu nehmen und in Erinnerungen an die gute alte Zeit zu schwelgen, als in Washington Klartext gesprochen und in Pakistan nur gekuscht wurde. Aryn Baker, Bürochefin des Nachrichtenmagazins ­Time für Pakistan und Afghanistan, schrieb online unter dem Datum 12. Mai: »Als die USA Pakistan nach den terroristischen Angriffen vom 11. September 2001 angingen, gab es keine Diskussionen über gemeinsame Ziele und geteilte Träume. Da gab es nur eine sehr direkte Drohung: Ihr seid entweder mit uns oder gegen uns. Pakistan mußte sich entscheiden, ob es sich zum Feind der USA machen wollte oder ob es sich auf einen raschen und schmutzigen Handel einlassen wollte, der durch das Versprechen auf eine Menge Geld versüßt wurde.« Leider habe es Musharraf aber versäumt, seinem Volk den Wert guter Beziehungen zu den USA zu erläutern. Deshalb seien immer noch viele Pakistanis von der selbstverständlich völlig abwegigen Idee besessen, der Krieg gegen den Terrorismus sei Amerikas Krieg.

Als authentische Stimme vergangener Tage meldete sich am 9. Mai David Frum auf den Internetseiten des Senders CNN zu Wort, wo er eine regelmäßige Kolumne zur Verfügung hat. Frum hat den Spruch »Für uns oder gegen uns« ebenso erfunden wie etwas später die »Achse des Bösen«, die aus Irak, Iran und Nordkorea bestand. Frum verfaßte damals nicht nur die Reden des Präsidenten, sondern nahm auch starken Einfluß auf dessen Denken. Jetzt schreibt er, daß nicht Afghanistan, sondern Pakistan »der wichtigste sichere Zufluchtsort für Terroristen« sei. Lediglich die Kriegführung in Afghanistan – an der Frum deshalb nur noch 20000 Soldaten beteiligen will – hindere die USA daran, »entschiedenere Maßnahmen gegen Pakistans Beherbergung des Terrorismus zu ergreifen«. Woran denkt der Autor dabei konkret? An Pläne zur »Ausschaltung« der pakistanischen Atomwaffen, an die Aufnahme Pakistans in die Liste der Staaten, die den Terrorismus unterstützen, und natürlich an die Streichung der »Militärhilfe«, aber auch an die Aufhebung aller angeblichen Handelsvorteile.

Stimmung kippt

Nicht ganz so weit will der ­Time-Redakteur Fareed Zakaria gehen, der am 12. Mai in einem Kommentar für die Washington Post die Zeit gekommen sah, »Druck auf Pakistan auszuüben«. Er forderte dort unter anderem, daß Pakistan jetzt einen »Plan« für die von der US-Regierung seit langem verlangte Ausweitung des »Kriegs gegen Terrornetzwerke« auf das gesamte Land vorlegen müsse. Die Frage, was geschehen solle, wenn Pakistan sich darauf nicht einläßt, beantwortete der Autor nicht. Er setzt auf die Klasse der pakistanischen Geschäftsleute und auf die Intellektuellen, die er aufruft, »sich nicht von leeren antiamerikanischen Parolen oder Ultranationalismus ablenken zu lassen«. Auch Zakaria plädiert dafür, »auf längere Sicht« die militärische Präsenz der USA in Afghanistan abzubauen, um »die Abhängigkeit von Pakistan zu verringern«.

Im völligen Gegensatz zum Trend stellte George Friedman am 10. Mai auf den Webseiten des Think tanks Stratfor die These auf, die Option eines Bruchs mit Pakistan könne es für die USA gar nicht geben. Die Vereinigten Staaten müßten sich entweder darauf einstellen, den Krieg in Afghanistan langfristig ohne ausländische Unterstützung fortzusetzen, oder sie müßten sich mit der »halbherzigen« Mitwirkung Pakistans arrangieren. Die dritte Möglichkeit sei, sich mit einer Niederlage abzufinden.

Alle drei Autoren sind insofern Ausnahmeerscheinungen im derzeitigen Aufruhr der US-amerikanischen Gefühle, Vorurteile und Demagogien, als sie immerhin eine Analyse der Situation vornehmen und einigermaßen logische Schlußfolgerungen – von ihrem jeweiligen Standpunkt aus – ziehen. Sie unterscheiden sich damit von der Masse der Politiker und Journalisten, die sich einfach nur hemmungslos, grobschlächtig und oft inkompetent gegen Pakistan austoben, ohne sich anscheinend Gedanken über Folgen und Alternativen zu machen.

Eine weitverbreitete US-amerikanische Obsession ist die Vorstellung, man verschenke seit Jahren »Milliarden Dollar der Steuerzahler« an die Pakistanis, ohne dafür letztlich etwas anderes zu ernten als Undankbarkeit, Aufsässigkeit und Zusammenarbeit mit Terroristen. Vier republikanische Abgeordnete ohne nennenswertes Profil haben vor diesem Hintergrund einen Gesetzentwurf (H.R. 1699) eingebracht, der alle »Hilfszahlungen« stoppen soll, »solange Pakistan nicht beweisen kann, daß sie Amerikas Feind Nummer eins keinen Unterschlupf gewährt haben«, wie sich der aus Texas stammende Initiator des Gesetzes, Ted Poe, bei der Vorstellung seines Entwurfs ausdrückte. Das ist zwar griffig gesprochen, aber in dieser Form technisch gar nicht möglich. In Wirklichkeit geht es darum, daß die Zahlungen von einer entsprechenden schriftlichen Erklärung des US-Außenministeriums abhängig gemacht werden sollen.

Der republikanische Abgeordnete Dana Rohra­bacher aus Kalifornien findet den Entwurf seiner Kollegen viel zu zahm und halbherzig. Er hat deshalb eine eigene Vorlage (H.R. 1790) auf den Weg gebracht. Ohne sich darin mit plausiblen Begründungen aufzuhalten, fordert Rohrabacher kurzerhand: »Hilfe darf Pakistan unter keinem Gesetzestitel gewährt werden.« Das Gesetz soll auch alle schon vereinbarten, aber noch nicht ausgezahlten Gelder betreffen. Die Presseerklärung auf der Website des Republikaners ist gespickt mit Angriffen gegen die Zusammenarbeit zwischen Pakistan und dem »kommunistischen China«, das in der Tat von vielen Pakistanis als einziger zuverlässiger Freund wahrgenommen wird.

Während es anfangs noch so aussah, als würden die Heißsporne von besonneneren politischen Schwergewichten wie dem republikanischen Senator John McCain ausgebremst, scheint es inzwischen, als würde die Stimmung kippen. Den einflußreichen Befürwortern einer knallharten Linie hat sich unter anderem die Demokratin Dianne Feinstein angeschlossen, die den Vorsitz im Geheimdienstausschuß des Senats führt. Nach ihrer Ansicht macht die Beziehung zu Pakistan »immer weniger Sinn«, so daß man in der Tat ernsthaft daran denken müsse, alle »Hilfen« zu streichen. Weitere prominente Sprecher dieser Richtung sind der demokratische Vorsitzende des Streitkräfteausschusses des Senats, Carl Lewin, die republikanische Vorsitzende des für die Auslandshilfe zuständigen Bewilligungsausschusses im Abgeordnetenhaus, Kay Granger, und der demokratische Politiker Howard Berman, der der ranghöchste Vertreter seiner Partei im Auswärtigen Ausschuß des Abgeordnetenhauses ist.

»Großzügige Hilfe«

Auf der anderen Seite präsentiert sich der Demokrat John Kerry, Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses des Senats, als Ein-Mann-Lobby Pakistans. Er will in den nächsten Tagen nach Islamabad fliegen und hofft, dort die »Reset-Taste« für einen Neustart der Beziehungen zwischen beiden Ländern drücken zu können. Allerdings führt er anscheinend keinerlei Ansätze für eine Neubestimmung der US-amerikanischen Politik mit sich, sondern nur »Fragen«, Vorwürfe und Zumutungen an die pakistanische Adresse. Er will, sagt er, den Gastgebern »die Dinge auf den Tisch legen, von denen wir wissen, daß sie sich ändern müssen« – selbstverständlich nur in Pakistan. Sollte Kerry wirklich noch andere Ideen im Kopf haben, versteht er es jedenfalls geschickt, sie zu verbergen. Vernünftige, ausgewogene oder gar selbstkritische Gedanken zum Zustand der Beziehungen zwischen den beiden »strategischen Partnern« zu äußern, wäre derzeit für einen US-amerikanischen Politiker ein sicherer Karriereselbstmord.

Die »großzügige Hilfe«, mit der die USA Pakistan angeblich überschüttet haben und über die jetzt so viel hysterisches Geschrei veranstaltet wird, verdient diese Bezeichnung selbst bei weitherziger Auslegung nur zum Teil. Nach einer Aufstellung in der India Times vom 24. Juli 2010 hatte Pakistan zu diesem Zeitpunkt seit dem 11. September 2011 insgesamt rund 18,6 Milliarden Dollar erhalten. Davon könnten die USA gegenwärtig nicht einmal zwei volle Monate Aufstandsbekämpfung in Afghanistan finanzieren.

Fast die Hälfte der sogenannten Hilfe, nämlich 8,1 Milliarden Dollar, kamen aus dem Coalition Support Funds. Es handelt sich dabei nach amtlicher Definition um die Rückvergütung eines Teils der Kosten, die finanzschwachen Staaten durch die Beteiligung am »Krieg gegen den Terror« entstanden sind und laufend weiter entstehen. Aus diesem Fonds erhält Pakistan als Hinterland des Afghanistan-Krieges regelmäßig den Löwenanteil. Dabei wird unter anderem die Tatsache berücksichtigt, daß ein großer Teil des Nachschubs per Schiff zum pakistanischen Hafen Karatschi und von dort mit Lkw nach Afghanistan transportiert wird. Jede Alternative wäre für die USA erheblich teurer. Darüber hinaus hat Pakistan Kosten in großer Höhe durch die Feldzüge in den nordwestlichen »Stammesgebieten«, die ihm von den USA aufgenötigt werden, und durch die militärische Sicherung der langen Grenze zu Afghanistan.

Weitere 2,1 Milliarden Dollar erhielt Pakistan in dem untersuchten Neunjahreszeitraum aus dem Foreign-Military-Financing-Programm. Das kann tatsächlich als Militärhilfe bezeichnet werden, ist allerdings weniger, als Israel jährlich bekommt. Wie alle Empfängerstaaten außer Israel darf Pakistan das Geld nur für Waffen aus den USA ausgeben. Zusammen mit weiteren kleineren Posten betrug die Summe aller »sicherheitsbezogenen« Zahlungen der Vereinigten Staaten an Pakistan bis Juli 2010 knapp 12,6 Milliarden Dollar.

Daneben erhielt Pakistan in diesem Zeitraum von den USA rund sechs Milliarden Dollar »Wirtschaftshilfe«. Mit einem von John Kerry und seinem republikanischen Senatskollegen Richard Lugar eingebrachten, im September 2009 vom Kongreß beschlossenen Gesetz wurde die »Wirtschaftshilfe« laut offizieller Propaganda verdreifacht. Vorgesehen ist die Bereitstellung von 1,5 Milliarden Dollar jährlich über einen Zeitraum von fünf Jahren, zusammen also 7,5 Milliarden. Daraus sollen Projekte finanziert werden, über die ausschließlich die US-Regierung entscheidet. Es geht dabei in der Hauptsache um »High Visibility« (hohe Sichtbarkeit), also Einrichtungen wie etwa Krankenhäuser und Schulen, die von den USA stolz als Beweise ihrer Großzügigkeit und ihrer Fürsorge für das pakistanische Volk präsentieren werden können. Angeblich um zu kontrollieren, ob bei den Projekten auch alles mit rechten Dingen zugeht, wurden Hunderte US-Amerikaner, darunter vermutlich viele getarnte Mitarbeiter der CIA, nach Pakistan geschickt. Ein Nebeneffekt des komplizierten und langwierigen Prüfverfahrens für die Projekte ist, daß ein Großteil der versprochenen Gelder noch gar nicht zum Einsatz gekommen ist.

Kapitulationsurkunde

Zugleich schränkt das Kerry-Lugar-Gesetz die bisherigen Zahlungen auf dem Militär- und Sicherheitssektor drastisch ein. Es macht sie zudem von allerlei »Fortschritten« und Bedingungen, etwa im »Kampf gegen den Terrorismus«, abhängig, deren Erfüllung das State Department gegenüber dem Kongreß in jedem Steuerjahr neu zertifizieren muß. Das Gesetz wird deshalb in breiten Teilen der pakistanischen Bevölkerung, keineswegs nur vom Militär, als beleidigend empfunden. Das wiederum wird in den amerikanischen Mainstreammedien als Undank gescholten.

Folgt man dem Chor demagogischer und großenteils wohl auch wirklich unwissender Politiker und Journalisten, ist der »Strom der Milliarden«, die die USA an Pakistan bezahlen, für das Land ein Riesengeschäft, das eigentlich allein schon ausreichen müßte, um die Pakistanis bei der Stange zu halten. Dagegen höhnte der bekannte pakistanische Journalist Ayaz Amir im Oktober 2009: »Das wird als strategische Partnerschaft bejubelt. Klingt mehr wie der billigste Rent-a-Nation-Kontrakt der Geschichte.« Das Kerry-Lugar-Gesetz bezeichnete er deshalb als »Kapitulationsurkunde«.

Tatsächlich decken sämtliche »Hilfsgelder« zusammen nicht die Kosten, die Pakistan durch den aufgezwungenen Bürgerkrieg und durch seine verewigte Rolle als Hinterland des Afghanistan-Krieges entstehen. Pakistanische Medien schätzen, unter Berufung auf Insider im Militär- und Regierungsapparat, daß die Beteiligung am »Krieg gegen den Terror« das Land bisher 35 Milliarden Dollar gekostet hat. Zur Erinnerung: Die Summe der großenteils nur fälschlich als »Hilfe« bezeichneten Zahlungen und Leistungen der USA an Pakistan liegt bei maximal 20 Milliarden Dollar seit 2001. Im laufenden Steuerjahr 2011 kostet die Aufstandsbekämpfung in Afghanistan die Amerikaner pro Monat rund 10 Milliarden Dollar – nach den zweifellos zu niedrigen offiziellen Angaben. Einer Berechnung vom Oktober 2009 zufolge gaben die USA für einen Soldaten im Irak rund 86000 Dollar pro Monat aus, für einen Soldaten in Afghanistan 77000, während sie ein pakistanischer Soldat nur 928 Dollar im Monat kostete.

Im völligen Gegensatz zu den wahnhaften Vorstellungen, die in den USA vorherrschen, ist die »strategische Partnerschaft« für Pakistan auch in finanzieller Hinsicht ein Fiasko. Nicht zuletzt der aufgezwungene Bürgerkrieg hat dazu geführt, daß Pakistans Auslandsschulden im rasanten Tempo von 32,3 Milliarden Dollar (2003) auf 57,4 Milliarden Dollar zu Beginn des Haushaltsjahres 2010 anwuchsen. Bereits im Jahr 2008 mußte Pakistan für die Bedienung seiner Schulden über drei Milliarden Dollar aufbringen – mehr als die Summe sämtlicher US-amerikanischer »Hilfen« im selben Zeitraum. Aufgrund seiner Schulden ist Pakistan auf die ständige Kooperation mit Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) angewiesen, die von den USA dominiert werden.

Das konstituiert tatsächlich eine starke Abhängigkeit. Sie könnte vermutlich nur überwunden werden, wenn China sich entschließen würde, sich in Pakistan massiv zu engagieren. Beide Länder arbeiten, unbeschadet von allen Wechseln der pakistanischen Innenpolitik, schon seit Jahrzehnten eng zusammen. Zwischen Politikern fast aller Parteien des Landes und der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung besteht Übereinstimmung, daß China der einzige zuverlässige, konstante Freund Pakistans ist – ein »Allwetterfreund«, wie Premierminister Jusuf Raza Gilani gerade dieser Tage wieder im Parlament sagte.

Zunehmende Ablehnung

Unter den Politikern und Journalisten der USA scheint die Stimmung vorzuherrschen, daß die »strategische Partnerschaft« mit Pakistan, das heißt in Wirklichkeit dessen Unterordnung unter die US-imperialistische Globalstrategie, uneingeschränkt belastbar sei. Sie scheinen außerdem zu glauben, daß die Pakistanis sich letztlich wunschgemäß verhalten werden, wenn man sie permanent mit Beleidigungen, Demütigungen, Verdächtigungen und Zumutungen überschüttet. Sie müßten statt dessen die Warnungen Gilanis ernst nehmen, der in einem am 12. Mai veröffentlichten Gespräch mit dem Magazin Time darauf hinwies, daß er sich gegenüber einer Bevölkerung und einer Wählerschaft verantworten muß, die der Politik der USA zunehmend ablehnend gegenübersteht: »Ich bin kein Armeediktator, ich bin eine öffentliche Figur. Wenn die öffentliche Meinung gegen euch – die USA – ist, kann ich es mir nicht leisten, an eurer Seite zu bleiben. Ich muß mich nach der öffentlichen Meinung richten.«

Pakistan wählt im nächsten Jahr ein neues Parlament. Gilanis Volkspartei wird voraussichtlich schwere Einbußen hinnehmen müssen. Die US-Regierung bekäme es dann vermutlich, wie schon 1990 bis 1993 und 1997 bis 1999, erneut mit Nawaz Sharif, dem Führer der Moslem­liga-N, zu tun. Sharifs zweite Amtszeit wurde im Oktober 1999 durch Musharrafs Militärputsch beendet, an dem US-amerikanische Dienststellen nicht ganz unbeteiligt waren.

* Aus: junge Welt, 14. Mai 2011


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