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Immuner CIA-Agent

Im Streit um inhaftierten Todesschützen erhöhen USA Druck auf Pakistan

Von Knut Mellenthin *

US-Dienststellen haben am Montag (21. Feb.) zugegeben, daß der Amerikaner Raymond Davis, der seit dem 27. Januar in Pakistan in Untersuchungshaft sitzt, für den Auslandsgeheimdienst CIA gearbeitet hat. Die New York Times und die Washington Post räumten gleichzeitig ein, daß ihnen der Sachverhalt schon länger bekannt war. Lediglich auf Wunsch ihrer Regierung hätten sie bisher geschwiegen. Diese Nachrichtensperre wurde aufgehoben, nachdem die britische Tageszeitung Guardian am Sonntag erstmals definitiv berichtet hatte, daß Davis ein vom CIA beschäftigter Angestellter eines privaten Sicherheitsunternehmens gewesen sei. Vermutet worden war das zwar schon seit seiner Festnahme, aber die US-Regierung bezeichnete ihn als Angehörigen des »technischen und Verwaltungspersonals« der Botschaft in Islamabad.

Zu Beginn war noch behauptet worden, Davis habe für das amerikanische Konsulat in Lahore gearbeitet. In dieser zweitgrößten Stadt des Landes war der CIA-Mann festgenommen worden, nachdem er zwei Männer erschossen hatte, die ihn angeblich verfolgt hatten. Insgesamt gab Davis zehn Schüsse ab, die alle trafen, darunter einige in den Rücken. Die pakistanische Polizei akzeptiert deshalb nicht die Notwehrversion des Amerikaners, sondern will Mordanklage erheben lassen.

Das Verwirrspiel der US-Regierung um den Arbeitgeber des Todesschützen – Botschaft oder Konsulat – dürfte einen einfachen juristischen Grund haben: Das Botschaftspersonal ist durch die Wiener Konvention von 1961 rundum vor Strafverfolgung geschützt. Konsulatsangehörige hingegen, nach einer internationalen Vereinbarung von 1963, nur dann, wenn sie die mögliche Straftat im Rahmen ihres Dienstes begangen haben.

Ob die diplomatische Immunität in diesem Fall überhaupt gilt, ist zwischen Washington und Islamabad umstritten. Die US-Regierung stellt sich auf den fragwürdigen Standpunkt, daß es absolut nicht darauf ankommt, welche Tätigkeit Davis tatsächlich ausgeübt hat, ins wessen Auftrag und an welchem Ort. Allein der Besitz eines Diplomatenausweises sei entscheidend. Die pakistanische Regierung zieht sich darauf zurück, daß darüber nur das zuständige Gericht in Lahore entscheiden könne. Dieses hat den nächsten Haftprüfungstermin auf den 14. März angesetzt.

Mit dem Eingeständnis, daß Davis für die CIA gearbeitet hat, soll möglicherweise noch Schlimmeres verdeckt werden. Denn nach der jetzt verbreiteten Version hat der ehemalige Angehörige militärischer Spezialeinheiten lediglich Personenschutz für CIA-Agenten geleistet, die in Pakistan gegen Angehörige militanter Organisationen ermitteln. Viele Indizien, unter anderem die bei Davis’ Festnahme gefundenen Gegenstände, deuten jedoch darauf hin, daß er selbst als Spion, vielleicht außerdem auch als Informantenbetreuer gearbeitet hat. In seiner Digitalkamera wurden Aufnahmen von militärischen Anlagen und Grenzbestigungen gefunden.

Indessen haben die USA ihre Drohnenflüge gegen Ziele in Nordwestpakistan wieder aufgenommen, die sie nach der Festnahme von Davis fast einen Monat lang unterbrochen hatten. Bei zwei Attacken am Sonntag und Montag wurden insgesamt mindestens 15 Menschen getötet. Die Rückkehr zu den in Pakistan extrem unpopulären Angriffen ist ein deutliches Signal der US-Regierung, daß sie auf die innenpolitischen Probleme ihrer »strategischen Verbündeten« in Islamabad keine Rücksicht mehr nehmen will. In Pakistan wird bereits geargwöhnt, daß die Amerikaner versuchen könnten, Davis mit Gewalt zu befreien.

* Aus: junge Welt, 23. Februar 2011

Zitiert: "Mysteriöser Mordfall"

US-Regierungskreise bestätigten, dass Davis CIA-Mitarbeiter ist. Er gehörte zu einem Team, das Informationen über militante Gruppen in Pakistan sammelte. Und hier kommen sich CIA und der pakistanische Geheimdienst ISI ins Gehege, wie "New York Times"-Journalist Mark Mazzetti auf NBC erklärt: Die CIA spioniere militante Gruppen aus, die vom pakistanischen Geheimdienst unterstützt werden, so Mazzetti.

Man sei nicht über die geheimdienstliche Arbeit von Raymond Davis informiert worden - dieser Vorfall habe die Verbindungen zwischen beiden Geheimdiensten nachhaltig beschädigt, zitiert die "Huffington Post" Geheimdienstmitarbeiter in Pakistan. Ein amerikanischer Regierungsbeamter sagte laut "Washington Post": "Ich glaube, es wird jetzt verdammt viel schwieriger, ihn da herauszubekommen."

Quelle: Auszug aus: "Mysteriöser Mordfall wird zum Agententhriller", von Nicole Markwald, RBB-Hörfunkstudio Washington; in: www.tagesschau.de, 22.02.2011




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