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Zwei Dollar pro Monat

Pakistans Regierung beschließt Stipendium für Grundschüler aus ärmsten Familien

Von Hilmar König *

Mit zwei Dollar pro Monat soll künftig drei Millionen Kindern aus den ärmsten Familien in Pakistan der Besuch der Grundschule ermöglicht werden. Das ist das »Geschenk« der Regierung in Islamabad zum internationalen »Malala-Tag«, den der UN-Sonderbotschafter für globale Bildung und Erziehung, Gordon Brown, proklamiert hatte und der am Samstag begangen wurde. Die 15 Jahre alte pakistanische Schülerin Malala Yousafzai war vor genau einem Monat zusammen mit zwei Mitschülerinnen Opfer eines Attentats im Nordwesten Pakistans geworden. In einer Spezialklinik im englischen Birmingham wird die durch einen Kopf- und einen Halsschuß schwer verletzte Malala behandelt. Ihre Genesung macht inzwischen sichtbare Fortschritte. Die beiden anderen Schülerinnen befinden sich nicht mehr in ärztlicher Behandlung.

Der Aktionstag zu Ehren Malala Yousafzais fand ein bemerkenswertes internationales Echo. Über hunderttausend Interessenten beteiligten sich an einer in Kanada initiierten solidarischen Internet-Kampagne »Ich bin Malala«. Sie unterstützten damit die Idee, das Mädchen für den Friedensnobelpreis zu nominieren, weil es auch »für all jene spricht, denen Bildung nur wegen ihres Geschlechts vorenthalten wird.« Seine Tochter, so ihr Vater Ziauddin Yousafzai, sei beseelt von einer Sehnsucht nach Frieden, Bildung und freier Meinungsäußerung. Er erklärte: »Malala steht für menschliche Würde und Toleranz und für Pluralismus. Sie hat mit ihrem Blut eine klare Linie gezogen zwischen Barbarei und menschlicher Zivilisation. Ihre Stimme ist die Stimme der Bevölkerung Pakistans und aller unterdrückten und entrechteten Kinder in der Welt.«

Mit diesen Worten dankte er zugleich im Namen seiner Tochter den Millionen Menschen rund um den Erdball, die nicht nur Anteil nehmen am Schicksal Malalas, ihr Geschenke, Karten und elektronische Grüße schickten, sondern auch ihr edles Anliegen unterstützen – das Recht aller Kinder, besonders aber der Mädchen, auf Schulbildung durchzusetzen. Eben dieses mutige Engagement hat die Taliban veranlaßt, den Mordanschlag auf ihre »Todfeindin«, wie sie es selbst formulierten, zu verüben.

In Pakistan setzten am Wochenende mehr als eine Million Menschen ihren Namen unter eine Petition, in der finanzielle Assistenz für Schulkinder aus armen Familien verlangt wird. Am gewichtigsten zählte da wohl das Signum von Staatspräsident Asif Ali Zardari. Denn kurz darauf verkündete die Regierung in Islamabad ihren Beschluß, drei Millionen Grundschülern ein Stipendium zu zahlen. Das Geld dafür kommt von der Weltbank und aus einem britischen Fonds.

Daß Pakistan auf dem Bildungssektor enormen Nachholebedarf hat, belegt die Statistik: Das Land steht im globalen Bildungsentwicklungsindex auf dem 113. Platz von insgesamt 120. Für die Verteidigung gibt die Regierung zehnmal mehr aus als für die Bildung. Nach offizieller Lesart sind 58 Prozent der über 175 Millionen Pakistaner schreib- und lesekundig, aber nur 36 Prozent der Frauen. Nicht zur Schule gehen 5,1 Millionen Kinder, davon über drei Millionen Mädchen. Bei den Heranwachsenden besuchen gar 7,2 Millionen keine Schule, davon 3,8 Millionen weibliche. Zu viele Schülerinnen und Schüler gehen bereits vor Erreichen der 8. Klasse ab, weil sie als Kinderarbeiter zur Existenzsicherung der Familien beitragen müssen oder weil die Mädchen ins heiratsfähige Alter kommen.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 13. November 2012


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