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Pakistan gilt als unsicherer Kantonist

Nicht nur wegen der Geheimdienstverbindungen zu Al Qaida bereitet Islamabad den USA Sorgen

Von Olaf Standke *

Pakistan sei das Land, in dem die »Albträume dieses Jahrhunderts« zusammentreffen: Terroristen, Taliban, schwache Regierung, Korruption und Atomwaffen. So jedenfalls sehen die USA einen wichtigen Verbündeten im Anti-Terrorkampf, wie Bob Woodward in seinem jüngsten Buch »Obamas Kriege« enthüllte.

Osama bin Ladens letzte Wohnstätte war keineswegs eine Höhle oder ein Erdloch im unwirtlichen Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan, sondern ein komfortables Wohnhaus unweit der pakistanischen Militärakademie in Abbottabad, geschützt von zehn Meter hohen Sicherheitsmauern. Auch das dürfte wieder Fragen nach möglichen Verbindungen von Teilen des pakistanischen Geheimdienstes ISI zu Al Qaida hervorrufen. Bereits unmittelbar nach den Anschlägen des 11. September 2001 hatte die »New York Times« berichtet, dass Agenten des Inter Service Intelligence mit Mitgliedern des Terrornetzwerkes zusammenarbeiten und auch von den Beziehungen zwischen bin Laden und den Taliban profitieren würden. So soll der ISI Trainingscamps in Afghanistan benutzt haben, um dort seine Kämpfer für den Kaschmir-Konflikt auszubilden. Andere Analysen sprechen von engen Verbindungen zu den heimischen Terrororganisationen Lashkar-e-Taiba (Armee der Reinen) und Jaish-e-Muhammad (Armee Mohammeds).

Schon damals allerdings machten Washingtoner Sicherheitsexperten die USA selbst für die oft misstrauische bis ablehnende Haltung bei pakistanischen Partnern verantwortlich. Die CIA habe es in den 1990er Jahren versäumt, die engen Verbindungen zu pflegen, die während des Afghanistan-Konflikts gegen die sowjetischen Besatzer mit dem ISI aufgebaut worden seien. Hinzu kommt, dass die wachsende Zahl von völkerrechtswidrigen Drohnenangriffen der USA auf Ziele in Pakistan mit immer wieder zivilen Opfern die Spannungen zusätzlich anheizt.

Wie die Internetplattform Wikileaks enthüllte, wird der ISI von USA-Ermittlern auf einer Geheimliste noch immer unter »terroristische und Terror unterstützende Einheiten« geführt. Spätestens mit dem Einzug von Barack Obama ins Weiße Haus hat sich der Washingtoner Fokus bei der Terrorbekämpfung von Afghanistan auf Pakistan verlagert. Nach der westlichen Invasion am Hindukusch soll Al Qaida mit seinen wichtigsten Basen einfach über die Grenze nach Pakistan umgezogen sein. Und auch drei Jahre nach dem Amtsantritt einer demokratischen Regierung in Islamabad bestimmen Militär und Geheimdienst die Außen- und Sicherheitspolitik des Landes. Praktisch untersteht der ISI keiner zivilen Kontrolle.

In Washington zweifelt man daran, dass die pakistanische Führung wirklich alles gegen die erstarkenden Islamisten im eigenen Land tut – trotz der enormen Hilfsmittel für Islamabad. Allein aus dem »Coalition Support Fund« (CSF), mit dem sich die Supermacht weltweit Kooperation im Anti-Terrorkrieg erkauft, kamen in der vergangenen Dekade über sieben Milliarden Dollar; niemand erhielt mehr CSF-Gelder.

Zugleich sorgt man sich um Pakistans Kernwaffen. Das Land soll heute über 80 bis 100 nukleare Sprengköpfe verfügen. Man spricht von 100 Millionen Dollar aus den USA für den Schutz der Atomarsenale. Wobei die Gefahr in Washington besonders groß eingeschätzt wird, dass »jemand, der in den Anlagen der pakistanischen Regierung arbeitet, nach und nach genug Material rausschmuggelt, um irgendwann eine Waffe zu bauen«. Zu recht, wie der Fall des »Vaters der islamischen Atombombe«, Abdul Qadeer Khan, zeigt. Und längst baut Pakistan für eine »zweite Generation« von Nuklearwaffen drei neue Atomanlagen.

Doch solange die USA auf kurzfristige militärische Erfolge in der Terror-Bekämpfung fixiert bleiben, können die pakistanischen Probleme nicht wirklich nachhaltig gelöst werden.

* Aus: Neues Deutschland, 3. Mai 2011


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