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Pakistan schweigt

Keine Bestätigung für Tod von hochrangigem Talibanführer bei US-Drohnenoperation in Nordwasiristan. Auch Washington blockt ab

Von Knut Mellenthin *

Weder das Weiße Haus noch die pakistanische Talibanorganisation TTP wollen Meldungen bestätigen, daß deren »Nummer Zwei«, Waliur Rehman, am Mittwoch bei einem US-amerikanischen Drohnenangriff ums Leben gekommen sei. Allerdings gibt es auch kein eindeutiges Dementi. TTP-Sprecher Ihsanullah Ihsan sagte der Nachrichtenagentur AP lediglich, er halte die Meldung für falsch und ihm lägen keine entsprechenden Informationen vor. Der Sprecher der US-Regierung, Jay Carney, wich auf seiner routinemäßigen Pressekonferenz beharrlich allen entsprechenden Fragen aus und bestätigte lediglich, daß Rehman an zweiter Stelle der TTP stehe und deren »oberster Militärstratege« sei. Auf Vorhaltungen von Journalisten, wie sich sein Abblocken mit dem Versprechen von Barack Obama auf mehr Transparenz der Drohnenangriffe vertrage, antwortete Carney, der Präsident habe in seiner Rede vom 23. Mai »eine außerordentliche Menge an Informationen« geliefert. »Das bedeutet aber nicht, daß wir bereit sind, über einzelne Antiterroroperationen zu sprechen.«

Zwei Raketen, die von einem unbemannten Flugkörper abgeschossen worden waren, hatten am frühen Mittwoch morgen ein Haus im Dorf Chasma bei Miranshah, der Hauptstadt des Bezirks Nordwasiristan, zerstört. Bei dem Angriff starben nach ersten inoffiziellen Meldungen mindestens vier Menschen. Vier weitere wurden in kritischem Zustand ins Krankenhaus eingeliefert. Später war von fünf bis sieben Toten die Rede. Die Gerüchte, daß einer davon Rehman gewesen sei, stützen sich angeblich auf Aussagen anonymer Angehöriger der örtlichen pakistanischen Sicherheitskräfte. Aus ähnlich unsicheren Quellen stammt auch die Behauptung, daß unter den Todesopfern Kämpfer aus Usbekistan gewesen seien.

Die US-Regierung hatte 2010 auf Rehman ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar ausgesetzt. Nach ihren Angaben soll er Angriffe auf US-Soldaten und andere NATO-Besatzungstruppen in Afghanistan »organisiert« haben. Insbesondere macht Washington ihn für einen Angriff in einem afghanischen US-Stützpunkt verantwortlich, bei dem sieben Mitglieder des Auslandsgeheimdienstes CIA getötet worden waren.

Pakistan hat derzeit nur eine geschäftsführende Übergangsregierung. Nawaz Sharif, dessen PML-N die Parlamentswahl am 11. Mai klar gewonnen hat, wird erst in der nächsten Woche sein Amt als Premierminister antreten. Das allein erklärt jedoch nicht, warum sich der Politiker, der als Oppositionsführer die US-amerikanischen Drohneneinsätze immer wieder scharf kritisiert hatte, jetzt in Schweigen hüllt. Die einzige bis Donnerstag mittag bekanntgewordene Stellungnahme stammt von einem angeblichen Sprecher des pakistanischen Außenministeriums, der seinen Namen nicht preisgeben wollte. Medien zitierten ihn mit der Aussage, jeder Drohnenangriff verletze Pakistans Souveränität und territoriale Integrität.

Ein Gericht in Peshawar, der Hauptstadt der nordwestpakistanischen Provinz Khyber Pakhtunkhwa, hatte die Drohnenangriffe Anfang Mai als Kriegsverbrechen bezeichnet. In seinem Urteil forderte das Gericht die pakistanische Regierung auf, den USA eindeutig zu zeigen, daß diese Aktionen nicht mehr toleriert würden. Nötigenfalls müßten die Flugkörper abgeschossen werden. Außerdem müsse sich die Regierung bei der UNO für die Einsetzung eines Tribunals gegen die Attacken einsetzen. Falls die USA an ihren illegalen Operationen festhielten, müsse Pakistan die diplomatischen Beziehungen abbrechen.

* Aus: junge Welt, Freitag, 31. Mai 2013


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