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Taliban wollen die Macht an sich reißen

Pakistans Präsident Zardari: Ohne volle Unterstützung des Militärs wäre Islamabad längst gefallen

Von Hilmar König, Delhi *

Pakistans Präsident Asif Ali Zardari bezeichnete am Sonntag (15. Feb.) in einem Interview die Taliban als ernste Bedrohung. Sie versuchten, die Macht im Land an sich zu reißen. Man habe die militante Organisation in der Vergangenheit unterschätzt.

Die mit Al Qaida versippten extremistischen »Koranschüler«, die sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan kämpfen, seien in großen Teilen Pakistans präsent, erklärte Pakistans Präsident Zardari im Programm der CBS News. Das sei ein Fakt, den man in der Vergangenheit nicht zugegeben habe. Im Kampf gegen die Taliban hätten die Streitkräfte Schwächen gezeigt, die der Gegner zu seinem Vorteil nutzte. Man habe die Zahl der im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet stationierten Soldaten jetzt auf 120 000 erhöht. Sie würden für »das Überleben Pakistans« und nicht für jemand anderes eingesetzt. Ohne die volle Unterstützung des Militärs und der Geheimdienste wäre Islamabad längst überrannt worden, sagte der Staatschef.

Tatsächlich wird bereits eine ganze Region, das Swat-Tal im nordwestlichen Zipfel Pakistans, von den Taliban beherrscht. Sie haben dort Hunderte Bildungseinrichtungen zerstört und Mädchen den Schulbesuch verboten. In der gesamten Nordwest-Grenzprovinz ist ihr Einfluss auf das öffentliche Leben spürbar. Sie enthaupteten dort angeblich den im September 2008 entführten polnischen Geologen Piotr Stancza. Wahrscheinlich stecken sie auch hinter der Entführung von John Solecki, Chefs des Flüchtlingshilfswerkes UNHCR in der Provinz Belutschistan. Auch ihm droht die Ermordung. Viele der Taliban sind in den paschtunischen Stammesgebieten an der afghanisch-pakistanischen Grenze verwurzelt, haben dort ihre Stützpunkte und auch Schlupfwinkel für Mitglieder der Al Qaida. USA-Präsident Barack Obama, der Mitte voriger Woche mit Zardari telefonierte, hat laut Außenamt in Islamabad seine Überzeugung geäußert, dass Terroristen aus »Schutzzonen« in den Stammesregionen Pakistans operieren. Die USA gehen ohnehin davon aus, dass sich Osama bin Laden dort irgendwo versteckt.

Das glaubt auch Washingtons Sonderbeauftragter für Afghanistan und Pakistan, Richard Holbrooke, der vorige Woche zu Konsultationen in Islamabad weilte. Die »Schutzzonen« sind denn auch Ziel US-amerikanischer Raketenangriffe auf pakistanisches Grenzgebiet. Die offiziellen Proteste und Einwände der pakistanischen Regierung, dass diese Attacken »kontraproduktiv« seien, den Antiamerikanismus in der Bevölkerung schürten und den Taliban die Rekrutierung neuer Kader erleichterten, stoßen in Washington auf taube Ohren. Zudem halten sich in Pakistan Gerüchte, die USA hätten das stille Einverständnis Islamabads für diese Raketenüberfälle, bei denen es oft auch zahlreiche Todesopfer unter Zivilisten gibt.

Erst am Wochenende waren in der Region Südwasiristan wieder zwei von unbemannten Drohnen abgefeuerte Raketen in ein vermutetes Ausbildungszentrum der Tehreek-e-Taleban Pakistan nahe der Ortschaft Ladha eingeschlagen. Mindestens 27 Menschen kamen dabei ums Leben.

Es war der dritte Angriff seit Obamas Amtsantritt. Senatorin Diane Feinstein ließ in Washington durchblicken, die Drohnen seien von einem pakistanischen Stützpunkt gestartet worden. Solche Äußerungen stärken in Pakistans Bevölkerung jene Kreise, die die Regierung verdächtigen, ein Doppelspiel zu treiben und eben doch auf Befehl und im Interesse der USA zu handeln.

* Aus: Neues Deutschland, 16. Februar 2009


Verstärkung aus Islamabad

Pakistans Präsident verteidigt Angriffe der US-Truppen in Südwasiristan

Von Hilmar König, Neu-Delhi **

Erneut griffen die US-Besatzer Afghanistans am Samstag (14. Feb.) Pakistan an. Mindestens 27 Menschen wurden dabei nahe der Ortschaft Ladha in der Grenzregion Südwasiristan getötet. Zwei von unbemannten Drohnen abgefeuerte Raketen trafen einen Gebäudekomplex, bei dem es sich »vermutlich« um ein Ausbildungszentrum der »pakistanischen Taliban« handelte. Es war der dritte Angriff seit dem Amtsantritt von US-Präsident Barack Obama. Dieser will Afghanistan »befrieden«, indem er die Truppenpräsenz massiv erhöht und unter anderem die sogenannten Schutzzonen der Aufständischen im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet verstärkt attackieren läßt.

Pakistans Präsident Asif Ali Zardari stützte Obamas Strategie am Sonntag (15. Feb.) in einem Interview für CBS News. Die Taliban seien eine ernste Bedrohung. Sie versuchten, die Macht im Land an sich zu reißen. Man habe die militante Organisation in der Vergangenheit unterschätzt. Die »Koranschüler« wären in großen Teilen Pakistans präsent, erklärte Zardari. Das sei ein Fakt, den man in der Vergangenheit nicht zugegeben habe. Man habe die Zahl der im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet stationierten Soldaten jetzt auf 120 000 Mann erhöht. Sie würden für »das Überleben Pakistans" und nicht für jemand anderes eingesetzt. Damit wollte er Stimmen zum Schweigen bringen, Islamabad führe einen Stellvertreterkrieg der USA. Ohne die volle Unterstützung des Militärs und der Geheimdienste wäre Islamabad längst überrannt worden, sagte der Präsident.

Ebenfalls am Sonntag äußerten sich Afghanistans vom Westen protegierter Präsident Hamid Karsai und der US-Sondergesandte für die Re­gion, Richard Holbrooke. Sie kündigten in Kabul eine »bessere Abstimmung zwischen afghanischen und internationalen Militärs bei Antiterroraktionen und beim Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte« an. Karsai war verstärkt unter öffentlichen Druck geraten, nachdem US-Besatzer bei Luftattacken mehrfach Blutbäder unter der Zivilbevölkerung angerichtet hatten. Kabul war nach Islamabad die zweite Station auf Holbrookes Reise in die Region, die ihn nunmehr auch nach Indien führen wird. Er solle, so der Auftrag, »Informationen sammeln« für eine Neubewertung der »Antiterrorstrategie« der USA.

** Aus: junge Welt, 16. Februar 2009


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