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"Schlechtes Omen" für die Demokratie

Nach Kaltstellung der Sharif-Brüder drohen Pakistan schwere Auseinandersetzungen

Von Hilmar König, Delhi *

Pakistans angeschlagene Regierung gerät mit dem Urteil des Obersten Gerichts, den beiden Nawaz-Brüdern den Zugang zu staatlichen Ämtern zu verwehren, weiter unter Druck.

Das Oberste Gericht in Islamabad hatte am Mittwoch ein Urteil bestätigt, das Nawaz Sharif, Chef der Muslim-Liga (PML-N), und dessen Bruder Shabaz Sharif, Chefminister der Punjab-Provinz, die Kandidatur für staatliche Ämter verbietet. Dieses Urteil war gefällt worden, als Nawaz Sharif, damals Regierungschef, im Oktober 1999 die Landung eines Flugzeugs hatte verhindern wollen, in dem Armeechef Pervez Musharraf saß. Musharraf putschte noch am selben Tag, entmachtete Sharif und schickte ihn ins Exil. Sein Bruder wurde verurteilt, weil er angeblich einen Kredit nicht zurückzahlte. Er musste noch am Mittwoch sein Chefministeramt niederlegen.

Die Zuspitzung der Lage hat Staatspräsident Asif Ali Zardari offenbar selber veranlasst. Nawaz Sharif ist sein schärfster Gegenspieler, auch wenn beide nach dem Sturz Musharrafs im vorigen Jahr zunächst zusammengearbeitet hatten. Zardari sieht sich mit einer Menge Schwierigkeiten konfrontiert: zunehmendem Terrorismus, wachsendem Einfluss der Taliban (den Waffenstillstand mit deren militanter Gruppe in der Swat-Region soll sich Islamabad mit sechs Millionen Dollar erkauft haben), den Folgen der Wirtschaftskrise, blutigen Auseinandersetzungen zwischen islamischen Sekten, den Auswirkungen des Mumbai-Massakers auf das Verhältnis zu Indien. Warum er gerade jetzt die Konfrontation sucht, ist schwer verständlich.

Nawaz Sharif reagierte noch am Mittwoch scharf: Asif Ali Zardari habe das Urteil diktiert. Es handele sich um eine Verschwörung. In Rawalpindi, wo Zardaris Ehefrau Benazir Bhutto im Dezember 2007 ermordet worden war, verbrannten Sharif-Anhänger BB-Plakate und zerfetzten Banner der regierenden Volkspartei Zardaris (PPP). Am Donnerstag kam es auf Initiative der PML-N vielerorts zu Protestkundgebungen.

Der Protest kann sich zu einer Lawine ausweiten, denn die Juristen haben die Wiederaufnahme ihres »Langen Marsches« für die Wiedereinsetzung des noch unter Musharraf geschassten Chefrichters Iftikhar Muhammad Chaudhry und Dutzender ihrer Kollegen angekündigt. Die PML-N unterstützt die Aktionen der Juristen.

Doch Zardari ist an einer Wiedereinsetzung Chaudhrys nicht interessiert, weil er befürchten muss, dass unter dem Chefrichter Korruptionsvorwürfe gegen die Bhutto-Zardari-Familie ausgegraben werden. Wenn der »Lange Marsch« und Sharifs Bewegung »Zardari Hatao« (Nieder mit Zardari) verschmelzen, könnte das Pakistan erschüttern und das Militär auf den Plan rufen. Es wäre nicht zum ersten Mal, dass es sich veranlasst sieht, »die Nation zu retten«. Die Medien, die mit Sharif sympathisieren, sehen in der jüngsten Entwicklung »ein schlechtes Omen für die Demokratie«.

* Aus: Neues Deutschland, 27. Februar 2009


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