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Ohrfeige für Musharraf

Pakistans Oberstes Gericht: Expremier Sharif darf aus dem Exil zurückkehren

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Der Oberste Gerichtshof Pakistans hat wiederum ein Urteil gefällt, das einer Ohrfeige für die Regierung in Islamabad und für Präsident General Pervez Musharraf gleichkommt. Chefrichter Iftikhar Muhammad Chaudhary entschied am Dienstag, daß der 1999 von Mu­sharraf gestürzte Expremier Nawaz Sharif sein »unveräußerliches Recht« wahrnehmen und aus dem Exil zurückkehren darf. Damit bekräftigte er dasselbe Urteil, das bereits im August gefällt worden war. Sharif war nach dieser Gerichtsentscheidung am 10. September nach Pakistan geflogen, jedoch umgehend erneut nach Saudi-Arabien abgeschoben worden. Dafür machte der Chefrichter jetzt Premier Shaukat Aziz verantwortlich. Der habe die Abschiebung veranlaßt und damit eine klare Verletzung des Gerichtsurteils begangen.

Sharif kündigte an, im Verlaufe des Novembers heimzukehren, um an der Kampagne zu den im Januar 2008 stattfindenden Parlamentswahlen für seine Pakistanische Muslimliga (N) teilzunehmen. Der Politiker ist mindestens so populär wie die am 18. Oktober aus dem Exil zurückgekehrte frühere Regierungschefin Benazir Bhutto. Ihrer Pakistanischen Volkspartei entsteht ein ernsthafter Konkurrent, wenn Sharif und seine Partei in die Politik aktiv eingreifen. General Musharraf hatte im Oktober 1999 gegen Nawaz Sharif geputscht und ihn im Jahre 2000 vor die Wahl gestellt: Strafverfolgung oder zehn Jahre Exil. Sharif ging nach Saudi-Arabien.

Eine noch wichtigere Entscheidung wird noch für diese Woche erwartet: Darf General Musharraf nach seinem offiziell nicht bestätigten Wahlsieg vom 8. Oktober am 15. November eine weitere Amtszeit antreten? Oder ist die Wahl ungültig, weil er in seiner Doppelfunktion als Staatsoberhaupt und Chef der Streitkräfte gar nicht hätte kandidieren dürfen?

Daß ihn militante Extremisten nach wie vor im Visier haben, bewies am Dienstag eine Selbstmordaktion in der Garnisonsstadt Rawalpindi. An einem Kontrollposten in der Nähe der Militärresidenz des Generals jagte sich ein junger Mann in die Luft, riß sieben Passanten mit in den Tod und verletzte 16 Menschen. Ähnlichen Attacken, die sich seit der Erstürmung der Roten Moschee im Juli in Islamabad häufen, fielen inzwischen über 300 Zivilisten und Sicherheitsleute zum Opfer. In einem Interview für eine indische Zeitung äußerte der frühere Geheimdienstchef Asad Durrani dazu und zu den Kämpfen zwischen Pro-Taliban-Milizen und Regierungstruppen im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet: »Das ist nicht unser Krieg.« Diese Konfrontation sei Pakistan von außen aufgezwungen worden. Um den Konflikt zu lösen und Afghanistan eine Chance für die Zukunft zu geben, müsse man mit den Taliban, mit Al-Qaida und den sympathisierenden Stammesmilizen verhandeln. Dazu sei viel Geduld und der Wille zur Aussöhnung erforderlich.

* Aus: junge Welt, 1. November 2007


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