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Gewaltexplosion zum Ende des Ramadans

Im Nordwesten Pakistans mindestens 48 Tote nach Sprengstoffanschlägen

Von Hilmar König, Delhi *

Neuerliche Gewaltexplosion im Nordwesten Pakistans: am Sonnabend (19. Sept.) eine Attacke auf einen Armeekontrollposten bei Dara Adam Khel, am Freitag (18. Sept.) die gewaltige Explosion von 150 Kilo Sprengstoff auf dem Marktplatz von Ustarzai, kurz danach im Nachbarort ein Anschlag auf eine Moschee. Insgesamt kamen am Wochenende mindestens 48 Menschen ums Leben.

Wenige Stunden vor dem Ende des Ramadan, der islamischen Fastenzeit, herrschte auf dem Basar von Ustarzai besonders viel Betrieb, weil viele Familien die letzten Festtagseinkäufe machten. Als die in einem Jeep versteckte Sprengladung explodierte, stürzten rings um den Markt nahezu alle Gebäude ein. Mindestens 40 Menschen starben, 54 wurden verletzt. Die Behörden betrachten den Anschlag als weiteres schreckliches Beispiel gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen schiitischen und sunnitischen Muslimen. Seitdem die pakistanischen Taliban in dieser Region den Ton angeben, sind solche Attacken an der Tagesordnung.

Der »Bomben-Jeep« im schiitisch geprägten Ustarzai soll aus dem Stammesdistrikt gekommen sein, aus dem der neue Taliban-Chef Hakimullah Mehsud stammt. Zu dem Anschlag bekannte sich die sunnitische Gruppe Lashkar-i-Jhangvi al Almi. Mit einem nachfolgenden Überfall auf die Moschee eines Nachbarortes übten Schiiten offenbar Vergeltung für die Bombenexplosion in Ustarzai.

Die pakistanische Tageszeitung »Daily News« beklagte die Tatenlosigkeit der pakistanischen Regierung angesichts der sogenannten Sektengewalt. Wenn die Regierung nicht aus ihrem Schlaf erwache, müsse mit der Fortsetzung gegenseitigen Tötens gerechnet werden.

Am Sonntag meldeten die Regierungstruppen ihrerseits, bei den anhaltenden Gefechten im nordwestpakistanischen Swat-Tal seien mindestens acht Kämpfer der Taliban getötet worden. 48 weitere Aufständische seien festgenommen worden.

Zugleich setzten die Regierungen in Islamabad und in der pakistanischen Provinz Punjab ein anderes Zeichen im Kampf gegen den Terror. Sie ließen nach dem Antiterrorismusgesetz zwei Klagen gegen Hafis Mohammad Said registrieren, den Gründer der seit 2002 verbotenen Extremistenorganisation Lashkar-e-Taiba. Said wird von Indien als Dirigent des Mumbai- Kommandos im November vorigen Jahres betrachtet. Bei dem Unternehmen wurden über 160 Menschen getötet. Indien verlangt Saids Auslieferung, Pakistan wirft ihm nun vor, im August in Ansprachen den »Heiligen Krieg« Dschihad glorifiziert und bei einer illegalen Zusammenkunft Geld dafür gesammelt zu haben.

Innenminister Rehman Malik erklärte am Sonnabend in Islamabad, die Behörden gingen zugleich den indischen Hinweisen über Saids Rolle im Mumbai-Massaker nach. Dies sei Teil der Ermittlungen gegen ihn. Allerdings werde man keinem indischen »Diktat« folgen, sondern als souveräner Staat den Regeln der eigenen Gerichtsbarkeit entsprechen. Was Indien bislang an Beweisen für eine Täterschaft Saids geliefert hat, reicht nach Maliks Einschätzung nicht aus, ihn festzunehmen.

* Aus: Neues Deutschland, 21. September 2009


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