Blutiger Anschlag in Quetta
Pakistan: Selbstmordattentäter reißt 15 Menschen mit in den Tod
Von Hilmar König, Delhi *
Pakistans Sicherheitskräfte sind nach dem Selbstmordattentat vom Samstag in Quetta, bei dem 16
Menschen getötet und über 30 verletzt wurden, landesweit in höchste Alarmbereitschaft versetzt
worden. Im Verlaufe von vier Wochen gab es fast ein Dutzend ähnlicher Anschläge im Land.
Was sich kurz vor Samstag Mittag im Gebäude des Bezirksgerichts von Quetta, der Hauptstadt der
Provinz Belutschistan abspielte, konnten Überlebende nur bruchstückhaft erinnern. Ein bislang nicht
identifizierter Mann sei während der Gerichtsverhandlung in den Sitzungssaal vorgedrungen und
habe dort einen unter seiner Kleidung versteckten Sprengsatz gezündet. Unter den Toten sind der
Richter und fünf Anwälte. Wer hinter dem Attentat steckt, konnte bisher nicht geklärt werden.
Festnahmen von mehreren Verdächtigen in Karachi, Rawalpindi und Sukkur brachten die Polizei
noch nicht auf eine heiße Spur. Der belutschische Regierungssprecher Rasak Bugti sagte, unter
Verdacht stünden »nationalistische Elemente ebenso wie afghanische Taliban«.
Premier Shaukat Aziz verurteilte den Anschlag und erklärte, das Töten Unschuldiger richte sich
gegen den Islam und gegen die Menschlichkeit. Solche Verbrechen würden nicht ungestraft bleiben,
sagte er. Innenminister Aftab Khan Sherpao sprach von einem »Akt des Terrorismus« und ordnete
an, die Sicherheit noch mehr zu verstärken. Vor dem Gericht in Quetta kam es nach der tödlichen
Explosion zu Protesten gegen die Regierung und die Ordnungshüter, die den Selbstmörder hatten
passieren lassen.
Belutschistan grenzt an Afghanistan an. In Quetta leben tausende afghanische Flüchtlinge, die nach
Ansicht von Präsident General Pervez Musharraf den Talibankämpfern Unterschlupf bieten und
deren »Rekrutierungsreservoir« darstellen. Musharraf appellierte kürzlich an die internationale
Gemeinschaft, bei der Schließung der Lager und der Rückkehr der Flüchtlinge behilflich zu sein.
Tatsächlich wirft es ein bezeichnendes Licht auf die instabile und chaotische Lage in Afghanistan
und auf den »Erfolg« der Intervention des Westens, dass es sechs Jahre nach dem Sturz des
Talibanregimes immer noch Millionen Flüchtlinge nicht wagen, in ihre Heimat zurückzukehren.
Seit Mitte Januar kamen bei Selbstmordanschlägen in Pakistan, das jüngste Blutbad in Quetta
mitgerechnet, 45 Menschen ums Leben. Die Mehrzahl wurde in der nordwestlichen Grenzprovinz
verübt, aber auch in der Hauptstadt Islamabad kam es zu zwei Attentaten. Als Urheber werden im
afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet operierende Taliban bzw. Mitglieder von Al Qaida vermutet.
Einer ihrer Stützpunkte war am 16. Januar von der pakistanischen Luftwaffe in Südwasiristan dicht
an der afghanischen Grenze bombardiert worden. Dabei wurden 20 Personen getötet, nach
Angaben des Militärs »alle Terroristen«, nach Aussagen von Dorfbewohnern ausschließlich
Zivilisten. Danach setzte die bis dato anhaltende Welle von Überfällen auf Soldaten, Polizisten und
Zivilisten ein, die Sicherheitsexperten als Rache für die Bombardierung werten. Man vermutet den
pakistanischen Talibankommandeur Baitullah Mehsud dahinter, der jedoch jede Beteiligung
dementiert.
Unabhängig davon operieren in der an Erdgas reichen Provinz Belutschistan seit Jahren lokale
Stammesmilizen, die nach mehr Unabhängigkeit von der Zentralregierung in Islamabad streben. Sie
griffen wiederholt Polizeistationen, Armeekolonnen und Regierungseinrichtungen an. Politische
Beobachter verweisen darauf, dass Selbstmordaktionen von diesen Rebellen bislang nicht
ausgeführt wurden.
* Aus: Neues Deutschland, 19. Februar 2007
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