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Mamnoon Hussain neuer Präsident Pakistans

Talibankommando befreite 250 Gefängnisinsassen *

Überschattet von einem Kommandoangriff der Taliban haben die Parlamente in Pakistan den Geschäftsmann Mamnoon Hussain zum neuen Präsidenten gewählt. Der 73-Jährige kandidierte für die Muslim-Liga (PML-N) von Premierminister Nawaz Sharif. Hussain löst Amtsinhaber Asif Ali Zardari, den Witwer der 2007 ermordeten Ex-Premierministerin Benazir Bhutto, am 8. September ab.

Die Abgeordneten in Islamabad und den vier Provinzen stimmten am Dienstag mit großer Mehrheit für Hussain. Die größte Oppositionspartei, Zardaris Volkspartei PPP, boykottierte die Wahl. Nach dem Sieg der Muslim-Liga bei den Parlamentswahlen im Mai hätte Zardari keine Chance auf eine Wiederwahl gehabt. Der unpopuläre Amtsinhaber kündigte daraufhin an, nicht erneut zu kandidieren. Die PPP hatte als Grund für ihren Boykott angegeben, dass die Wahl vorgezogen worden war und nicht genügend Zeit zur Vorbereitung blieb. Zardari war seit September 2008 im Amt.

Schwer bewaffnete Taliban-Kämpfer stürmten nur Stunden vor der Wahl ein Gefängnis im Nordwesten des Landes und befreiten fast 250 Häftlinge. Darunter seien mindestens 15 hochrangige Angehörige der pakistanischen Taliban (TTP) und der schiitenfeindlichen Terrorgruppe Lashkar-e-Jhangvi, informierte die Polizei. Aus Geheimdienstkreisen hieß es, 25 »gefährlichen« Extremisten sei die Flucht gelungen.

Nach Polizeiangaben wurden 13 Menschen bei den Gefechten getötet. Die TTP teilte mit, außerdem hätten sich zwei Selbstmordattentäter gesprengt. Unter den Toten seien vier schiitische Häftlinge, von den sunnitischen Angreifern gezielt erschossen, so die Behörden. 17 Menschen seien bei den Kämpfen verletzt worden. Die Polizei habe acht der 248 Ausbrecher wieder gefasst.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 31. Juli 2013

Loyal

Mamnoon Hussain ist neuer Präsident Pakistans. Gewählt wurde der Kandidat der regierenden Muslim-Liga allerdings nicht vom Volk, sondern erstmals allein von den Mitgliedern des Senats, der Nationalversammlung und der vier Provinzparlamente des Landes. Der 73-Jährige war auch Favorit unter den nur noch zwei Anwärtern, nachdem die wichtigste Oppositionskraft, die Pakistanische Volkspartei (PPP) seines Vorgängers Asif Ali Zardari, die Abstimmung boykottiert hatte. Aber die Macht des pakistanischen Staatschefs wurde im Zuge einer Verfassungsreform ohnehin stark beschnitten; er muss sich nun vor allem mit einer repräsentativen Rolle begnügen. Doch ist der Präsident zumindest nominell weiter Oberster Befehlshaber der Streitkräfte der spannungsreichen Atommacht.

Kopf der Muslim-Liga ist Ministerpräsident Nawaz Sharif. Sein Führungscredo laute »Loyalität vor Kompetenz«, sagt der Politologe Hasan Askari Wisri, und Hussain gilt als treuer Parteisoldat. Er stand Sharif schon zur Seite, als der 1999 Regierungschef war und aus dem Amt geputscht und aus dem Land vertrieben wurde. Der praktizierende Muslim und überzeugte Demokrat Hussain landete später kurzzeitig sogar im Gefängnis. Zur Welt gekommen ist er im indischen Agra, dort, wo der berühmte Taj-Mahal-Palast steht. Was im verfeindeten Nachbarland durchaus Hoffnungen weckt. Der einstige Koranschüler, der dann doch nicht Geistlicher wurde, sondern mit dem Institut für Wirtschaftsverwaltung eine Elite-Uni absolvierte, als Geschäftsmann in Karatschi sein Geld mit Textilien verdiente und es zum Gouverneur der Provinz Sindh brachte, will der Regierung nun helfen, das Land aus seiner »argen Not« zu führen – vor allem, was die Wirtschaft und die Sicherheitslage angehe.

Eine Mischung aus islamischen Werten und den besten Praktiken aus dem Westen könne »für uns funktionieren«, zeigt sich der dreifache Vater überzeugt. Und es sei sein Ehrgeiz, die Regierung in Washington davon zu überzeugen, dass sie endlich mit den Drohnenangriffen aufhören müsse. Hussain tritt ein schweres Erbe an.

Olaf Standke

(nd, 31.07.2013)


Präsidentenwechsel in Pakistan

Konservative PML-N kontrolliert nun Ämter des Regierungs- und des Staatschefs

Von Knut Mellenthin **


Nach dem Regierungswechsel im Mai bekommt Pakistan demnächst auch einen neuen Präsidenten. Bei der Wahl am Dienstag erreichte der Kandidat der regierenden PML-N, Mamnoon Hussain, schon vor Ende der vollständigen Auszählung die erforderliche Stimmenzahl. Sein einziger Gegner, der von der oppositionellen PTI nominierte Richter Wajihuddin Ahmed, lag in weitem Abstand dahinter.

Der pakistanische Präsident wird von einem Kollegium gewählt, das aus den Mitgliedern beider Häuser des Bundesparlaments sowie den Parlamenten der vier Provinzen besteht. Deren Stimmen werden allerdings nach einem komplizierten Verfahren unterschiedlich berechnet. Für das Wahlkollegium ergibt sich daraus eine Gesamtzahl von 702 Stimmen. Da ungefähr 150 Mitglieder des Kollegiums aufgrund eines Boykotts ihrer Parteien nicht mit abstimmten, stand Mamnoon mit dem Erreichen von etwa 265 Stimmen bereits als Sieger fest.

Neben der bis zum Mai die Regierung führenden Volkspartei PPP hatten auch mehrere andere Kräfte die Wahl aus Protest gegen den frühen Termin boykottiert. Vorgesehen war eigentlich gewesen, die Wahl am 6. August durchzuführen. Dagegen hatte die PML-N unter anderem mit der Begründung geklagt, daß dann viele Mitglieder des Wahlkollegiums auf Pilgerfahrt nach Mekka seien. Der Oberste Gerichtshof legte schließlich den 30. Juli als Datum fest.

Der 63jährige Mamnoon Hussain ist ein Unternehmer der Textilindustrie aus Karatschi und ein führendes Mitglied seiner Partei, in der er allerdings nach außen hin bisher keine prominente Rolle gespielt hat. Die Position des pakistanischen Präsidenten ist nicht mit großen Vollmachten ausgestattet, und dementsprechend reduziert war auch das Interesse der Parteien und der Öffentlichkeit an dieser Wahl. Daß nun die Ämter des Premiers und des Präsidenten in den Händen der konservativen PML-N vereinigt sind, ist dennoch nicht ganz ohne Bedeutung.

Der derzeitige Präsident Asif Ali Zardari ist als außerordentlich korrupt verschrien. Er gehört der PPP an und war mit der im Dezember 2007 bei einem Anschlag ermordeten zweimaligen Regierungschefin Benazir Bhutto verheiratet. Hussains Vereidigung als zwölfter Präsident Pakistans findet am 8. September statt, wenn Zardaris reguläre Amtszeit endet.

** Aus: junge Welt, Mittwoch, 31. Juli 2013


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