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Druck auf Musharraf

Pakistans radikale islamische Opposition will Präsidenten zu Fall bringen

Von Hilmar König, Neu Dehli*

Trotz des offiziellen Demonstrationsverbots halten in Pakistan die Protestaktionen gegen die Mohammed-Karikaturen an. Sie äußern sich in Streiks in verschiedenen Landesteilen, in zeitweilig geschlossenen Schulen, in Attacken auf Kirchen und in gewaltsamen Ausschreitungen nach Freitagsgebeten, in denen die Prediger wiederholt zur Vergeltung an den blasphemischen Satirikern aus Dänemark aufriefen. Im pakistanischen Erdbebengebiet tätige Helfer dänischer Nichtregierungsorganisationen brachen laut der pakistanischen Zeitung Daily News wegen zunehmender Sicherheitsbedenken ihren Einsatz ab.

Für den heutigen Freitag hat die oppositionelle politische Allianz Muttahida Majlis-e-Amal, der sechs radikale islamische Parteien angehören, zu einer Demonstration in Lahore aufgerufen. Dabei kann es zu neuen blutigen Zwischenfällen kommen. Die Regierung in Islamabad versucht bisher vergeblich, die Wogen der Empörung mit verschiedenen Erklärungen zu glätten. Premier Shaukat Aziz äußerte, die beleidigenden Karikaturen würden das im Westen kursierende Konzept vom »Kampf der Zivilisationen« fördern. Einerseits basierten sie auf Ignoranz und andererseits zielten sie auf Dämonisierung des Islam. Auch wenn etliche Anführer der Proteste dem Regierungschef in diesem Punkte zustimmen, wollen sie die Chance doch nutzen, Islamabad zur Aktion zu zwingen, vor allem auf größere Distanz zum Hauptpartner USA zu gehen.

Denn längst ist klar, daß hinter dem Karikaturenzwist mehr steckt. Anfangs ließ Präsident General Pervez Musharraf den Demonstranten ziemlich freie Hand. Erst als sich die Proteste zu einer landesweiten Kampagne mit Zehntausenden Teilnehmern auswuchsen und deren Organisatoren immer mehr politische Akzente setzten, entschied er sich für eine härtere Gangart. Die Polizei griff rigoros ein, und seit Sonntag sind alle Manifestationen im Zusammenhang mit der Verunglimpfung des Propheten verboten.

Das aber hat die islamische Opposition nur noch mehr angestachelt. Ihre Parteienallianz, die in der Nordwest-Grenzprovinz die Koalitionsregierung bildet und in der Unruhe-Provinz Belutschistan ebenfalls den Ton angibt, sieht in der Karikaturen-Kontroverse ein willkommenes Mittel, den Druck auf Musharraf zu erhöhen. Aus der Allianz wurden Stimmen laut, den General noch in diesem Frühjahr aus dem Amt zu jagen. Sie ließen sich vor Musharrafs Karren spannen, als der ihre Unterstützung brauchte, sich im Parlament »legal« als Staatspräsident installieren zu lassen. Sein Versprechen, im Gegenzug den Posten des Armeechefs an den Nagel zu hängen, löste er nie ein. Noch größer jedoch ist die Wut der Muttahida Majlis-e-Amal auf das Staatsoberhaupt wegen dessen Kollaboration mit Washington im »Feldzug gegen den internationalen Terrorismus«.

Die Islamisten bewerten Musharrafs Rolle in diesem Pakt, sein Vorgehen gegen die paschtunischen Stammesmilizen im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet sowie seinen gesamten prowestlichen Kurs als Verrat nationaler Interessen. Am 3. März wird US-Präsident George Bush aus Indien kommend zum Staatsbesuch in Pakistan eintreffen, wenn ihn die anhaltende Protestwelle nicht im letzten Moment zum Umkehren veranlaßt. Ein heißer Empfang dürfte ihm allemal gewiß sein.

* Aus: junge Welt, 24.02.2006


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