"Unprovozierter und feiger" Überfall
Pakistan empört über NATO-Angriff
Von Hilmar König, Delhi *
Mit der Attacke von NATO-Truppen auf einen pakistanischen Grenzposten Mitte der Woche haben sich die Beziehungen zwischen Washington und Islamabad sichtlich verschlechtert. Pakistan verurteilte den Angriff als »absolut unprovoziert und feige«, während ein Pentagonsprecher von einem »legitimen Akt der Selbstverteidigung« sprach.
US-Botschafterin Anne W. Patterson war am Mittwoch (11. Juni) ins Islamabader Außenministerium bestellt worden, um einen starken Protest der pakistanischen Regierung entgegenzunehmen, die den Vorfall, bei dem elf pakistanische Soldaten getötet wurden, als »vollkommen inakzeptabel« bezeichnete. Premier Jusuf Raza Gilani gab dazu außerdem vor dem Parlament eine entsprechende Erklärung ab. Aus der Armeeführung Pakistans war zu hören, dass das Bombardement »genau die Basis der Zusammenarbeit« auf militärischem Gebiet mit den USA traf. Seit 2001 ist Islamabad Verbündeter der USA und der NATO im »internationalen Kampf gegen den Terrorismus«.
Es war nicht das erste Mal, dass die in Afghanistan operierenden NATO-Verbände grenzübergreifende Schläge ausführten, die pakistanische Soldaten sowie Zivilisten trafen. Doch unter der Diktatur von General Pervez Musharraf wurden solche Übergriffe als »Missverständnisse« abgetan.
Diesmal, unter der neuen Regierung in Islamabad, war die Reaktion ganz anders: eine unmissverständliche Verurteilung und Zurückweisung.
In pakistanischen Medienberichten wurden am Donnerstag solche Fragen gestellt: Sind wir wirklich Verbündete? Oder kämpfen wir gegeneinander? Hat die Attacke etwas mit dem Bemühen der pakistanischen Regierung zu tun, mit den Stammesmilizen im Nordwesten Friedensabkommen auszuhandeln?
Washington verfolgt diesen Kurs mit unverhohlener Skepsis und vorsichtiger Kritik, weil es befürchtet, er würde Taliban und Al Qaida ermuntern. In jedem Fall war das Bombardement Wasser auf die Mühlen jener in Pakistan, die die »antiterroristische Militärallianz« mit USA und NATO ablehnen.
Was wirklich in der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch passierte, lässt sich kaum rekonstruieren. Der pakistanische Generalmajor Athar Abbas erklärte, afghanische Truppen seien in der Provinz Kunar auf dem Rückzug von Insurgenten angegriffen worden und hätten bei der NATO-Kommandozentrale um Luftunterstützung ersucht. Drei Flugzeuge hätten daraufhin etwa ein Dutzend Bomben abgeworfen, darunter die tödlichen auf den Grenzposten Gorparai im Stammesgebiet der Mohmand, der sich 200 Meter tief in Pakistan befindet.
Laut Version des Pentagonsprechers Geoff Morrell handelte es sich um einen Gegenschlag, »einen legitimen Akt der Selbstverteidigung«, da NATO-Truppen auf afghanischem Gebiet von Taliban angegriffen worden seien. Wie die Bomben das pakistanische Gorparai treffen konnten, vermochte er nicht zu erklären. Die Taliban behaupteten, sie hätten afghanische Soldaten auf afghanischem Gebiet verfolgt und 40 von ihnen getötet. Der Mohmand-Stamm beklagte nach dem Bombardement den Tod von 10 seiner Milizionäre.
* Aus: Neues Deutschland, 13. Juni 2008
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