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Pakistan blockiert NATO-Nachschub

Von Knut Mellenthin *

Pakistan hat am Donnerstag (30. Sept.) den Grenzübergang Torkham für den Nachschub der NATO-Truppen in Afghanistan geschlossen. 80 Prozent der sogenannten nicht-tödlichen Lieferungen für den Kriegsbedarf, insbesondere Treibstoff, werden vom Hafen Karatschi aus mit LKWs und Tankwagen durch Pakistan transportiert. Torkham, in der Nähe der Stadt Peschawar am Khyberpass gelegen, ist die wichtigere der zwei Grenzstationen, über die der Nachschub läuft. Da sich schnell ein langer Stau bildet und die stehenden Fahrzeugkolonnen ein leichtes Ziel für Angriffe darstellen, waren solche Blockaden der pakistanischen Behörden bisher jedes Mal auf wenige Stunden beschränkt.

Die Aktion stellte einen unmittelbaren Protest gegen den vierten Angriff US-amerikanischer Kampfhubschrauber auf pakistanisches Gebiet dar. Dabei wurden am Donnerstag Morgen im Bezirk Kurram drei Soldaten der pakistanischen Grenztruppen getötet und drei andere verletzt. Einige Stunden später gab es einen weiteren Luftangriff auf Kurram.

Die Attacken über die Grenze hinweg hatten am Freitag voriger Woche (24. Sep.) begonnen und waren am Sonnabend und Montag (27. Sep.) fortgesetzt worden. Eine NATO-Sprecherin hatte die Angriffe zunächst noch als Verfolgung afghanischer Aufständischer, die zuvor einen Militärposten angegriffen hätten und dann über die Grenze geflüchtet seien, zu rechtfertigen versucht. Nach mittlerweile fünf solcher Übergriffe ging man jedoch am Donnerstag (30. Sep.) in Pakistan davon aus, dass es sich um gezielte Provokationen gegen die Regierung in Islamabad handelt. Diese soll offenbar unter Druck gesetzt werden, eine von den USA schon seit Monaten geforderte neue Offensive gegen Aufständische im Bezirk Nordwasiristan zu starten. Die gestrigen Angriffe fielen genau mit einem Besuch von CIA-Chef Leon Panetta in Pakistan zusammen.


USA gehen auf Konfrontation zu Pakistan

Aufständische greifen Nachschubtransport für NATO-Truppen in Afghanistan an

Von Knut Mellenthin *


In Pakistan wurden am Freitagmorgen (1. Okt.) etwa 30 Tankwagen mit Treibstoff für den NATO-Krieg in Afghanistan von Widerstandskämpfern zerstört. Die maskierten Angreifer hatten zunächst die Fahrer durch Warnschüsse vertrieben und dann die Fahrzeuge in Brand gesetzt. Den Berichten zufolge kam niemand zu Schaden.

Etwa 80 Prozent des „nicht-tödlichen“ Nachschubs für Afghanistan wird mit Schiffen zum pakistanischen Hafen Karatschi gebracht und von dort auf der Straße quer durch Pakistan befördert. Auffallend an dem gestrigen Überfall war, dass er sich nicht in den umkämpften Stammesgebieten Nordwestpakistans ereignete, sondern im Bezirk Schikarpur in der südlichen Provinz Sindh.

Unterdessen blieb der Grenzübergang Torkham am Khyberpass auch gestern zunächst geschlossen. Eine Schlange von über hundert LKWs und Tankwagen hatte sich bis zum Vormittag aufgebaut. Die Behörden ließen seit Donnerstagmorgen keinen NATO-Nachschub mehr passieren, nachdem US-Kampfhubschrauber seit Freitag voriger Woche mehrmals pakistanisches Gebiet angegriffen hatten. Am Donnerstag wurden drei pakistanische Grenzsoldaten getötet und drei weitere verletzt, als Hubschrauber ihre Stellung mit Raketen zerstörten.

Auch die Angriffe unbemannter Flugkörper auf Ziele in Pakistan, vor allem in Nordwasiristan, wurden in letzter Zeit sprunghaft gesteigert. Im September gab es 21 solcher Attacken, wobei vermutlich 120 Menschen getötet wurden. Die bisherige Höchstzahl von Drohnenangriffen innerhalb eines Monats hatte bei elf im Januar dieses Jahres gelegen.

Mit der ständigen Verletzung der staatlichen Souveränität Pakistans wollen die USA offenbar den Druck auf die Regierung in Islamabad erhöhen, damit diese ihre militärischen Feldzüge gegen die Stammesgebiete ausweitet. Außerdem soll sie mehr Spielraum für „verdeckte Operationen“ der CIA und amerikanischer Spezialeinheiten zugestehen. Der Journalist Bob Woodward erwähnt in seinem gerade erschienenen Buch, dass die USA eine 3000 Mann starke Truppe aus afghanischen Paschtunen aufgestellt haben, die bereits regelmäßig auf pakistanischem Gebiet operiert. Woodward berichtet außerdem von einem „Vergeltungsplan“ der US-Regierung für den Fall eines von Pakistan aus geplanten Anschlags in den USA. Angeblich sollen dann rund 150 Ziele auf pakistanischem Gebiet, angebliche „Terroristenlager“, angegriffen werden.

Ein kürzlich aufgetauchtes Video soll offenbar zur Erpressung der Regierung in Islamabad instrumentalisiert werden. Es zeigt pakistanische Soldaten, die eine Gruppe gefesselter Gefangener erschießen. Dass dies bei der „Aufstandsbekämpfung“ massenhaft geschieht, ist seit langem bekannt. Oft werden die Leichen der Ermordeten auf öffentlichen Plätzen zur Schau gestellt. Die US-Regierung, die bisher trotz Kenntnis dieser Praxis immer wieder zur Verstärkung der „Aufstandsbekämpfung“ aufgerufen hatte, zeigt jetzt Neigung, sich angesichts des Videos schockiert zu geben.

Beide Artikel erschienen in der jungen Welt, 1. und 2. Oktober 2010


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