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In neuen Kleidern

Pakistan: Musharraf erstmals als ziviler Präsident vereidigt. Aufhebung des Ausnahmezustands steht weiter aus

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Nach der Vereidigung als ziviles Staatsoberhaupt Pakistans erklärte Präsident Pervez Musharraf am Donnerstag in Islamabad: »Das ist ein Meilenstein im Übergang Pakistans zu einer kompletten Essenz von Demokratie... Wir wollen Demokratie, Menschenrechte, Bürgerfreiheiten, aber wir wollen es auf unsere Art machen. Wir verstehen unsere Gesellschaft, unser Umfeld besser als jeder im Westen.« Damit scheint die erwartete Aufhebung des Ausnahmezustands vorerst zu den Akten gelegt.

Musharraf hatte die Uniform, nach eigenem Bekunden seine »zweite Haut«, am Vortag nach 46 Jahren Militärdienst und acht Jahren als Putschgeneral an den Nagel gehängt. »Diese Armee ist mein Leben. Diese Armee ist meine Leidenschaft«, bekannte er zum Abschied und machte damit zugleich klar, daß seine Verbindungen zum Militär nicht abreißen werden. Ohnehin hatte Generalstaatsanwalt Malik Abdul Qayum am Mittwoch erklärt, in seiner Kapazität als Staatspräsident bleibe Musharraf der Oberbefehlshaber der Streitkräfte.

Es wird sich an der Machtkonstellation also auch unter einem »Kaiser« in neuen Kleidern nichts ändern, zumal sowohl der neue Armeechef als auch die Direktoren der beiden Geheimdienste als Musharrafs Vertraute gelten. So kommt auch nicht überraschend, daß die Reaktionen auf die Vereidigung des Zivilpräsidenten sowohl von dem Führer der Pakistanischen Muslimliga (N), Nawaz Sharif, als auch von Benazir Bhutto, der Vorsitzenden der Pakistanischen Volkspartei (PPP), vorsichtig bis unmißverständlich ablehnend ausfallen. Sharif äußerte, die Vereidigung habe keine Legitimität, weil ein Richterkollegium Musharrafs »Wahlsieg« bestätigt hat, das nicht vom Volk akzeptiert wird. Frau Bhutto meinte lakonisch: »Wir haben keine Eile, ihn als zivilen Präsidenten anzuerkennen.«

Die oppostionellen Parteien sehen die Beendigung des am 3. November verhängten Ausnahmezustands und damit die Wiederinkraftsetzung der Verfassung als grundlegende Voraussetzung für freie und faire Parlamentswahlen am 8. Januar 2008 an. Zu den anderen Forderungen gehört die Bildung einer unabhängigen Wahlkommission, die Wiedereinsetzung der Anfang November amtsenthobenen Richter des Höchsten Gerichtshofes sowie »freie Medien«.

Noch ist offen, ob die beiden Hauptparteien die Parlamentswahlen boykottieren werden. Kandidaten für das Votum haben sie vorsichtshalber nominiert. Die Entscheidung ist so einfach nicht, denn ein Boykott würde Musharrafs Pakistanischen Muslimliga (Q), der mit ihr liierten Bewegung Muttahida Qaumi und der islamischen Jamiat-e-Ulema das Feld überlassen. Das kann nicht im Interesse aller nach demokratischen Verhältnissen strebenden Gruppierungen sein. Eine Wahlbeteiligung hingegen würde mit großer Wahrscheinlichkeit Sharif und Bhutto nicht als Verbündete, sondern als Rivalen sehen. Und das schmälerte beider Aussichten auf den Posten des Regierungschefs.

Momentan hat es den Anschein, als ob Frau Bhutto nach der kürzlich von Washington gegebenen »Empfehlung«, die »moderaten Politiker« Pakistans sollten auf Versöhnung hinarbeiten, noch nicht alle Brücken zu Musharraf abgebrochen hat. Dieser betrachtet sich als Mittler zwischen dem Militär und den Politikern. In einem Interview im Oktober gab er seine Vorstellung vom künftigen Regierungsstil so preis: Es sollte eine »Troika« aus Präsident, Premier und Armeechef sein. In eine solche Struktur würde Benazir Bhutto natürlich besser passen als Nawaz Sharif. Kaum vorstellbar, daß Sharif unter einem zivilen Präsidenten fungieren könnte, der ihn vor acht Jahren als General stürzte.

* Aus: junge Welt, 30. November 2007


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