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Starkes Echo auf "Malala-Tag"

Über eine Million Unterschriften für bessere Bildungschancen der Mädchen in Pakistan

Von Hilmar König *

Der von der UNO proklamierte Globale Aktionstag zu Ehren der 15 Jahre alten pakistanischen Schülerin Malala Yousafzai fand am Samstag weltweit ein starkes Echo. Auf das Mädchen hatten die Taliban vor genau einem Monat ein Attentat verübt, bei dem es durch einen Kopf- und einen Halsschuss schwer verletzt wurde.

»Malala steht für menschliche Würde und Toleranz und für Pluralismus. Sie hat mit ihrem Blut eine klare Linie gezogen zwischen Barbarei und menschlicher Zivilisation. Ihre Stimme ist die Stimme der Bevölkerung Pakistans und aller unterdrückten und entrechteten Kinder in der Welt.« Mit diesem Appell dankte Ziauddin Yousafzai am Wochenende im Namen seiner Tochter den Millionen Menschen rund um den Erdball, die nicht nur Anteil nehmen am Schicksal Malalas, ihr Geschenke, Karten und elektronische Grüße schickten, sondern auch ihr edles Anliegen unterstützen – das Recht aller Kinder, besonders aber der Mädchen, auf Schulbildung durchzusetzen. Eben dieses tapfere Engagement hat die Taliban veranlasst, den Mordanschlag auf ihre »Todfeindin«, wie sie es selbst formulierten, zu verüben.

An einer solidarischen Internet- Kampagne »Ich bin Malala« beteiligten sich in den vergangenen Tagen über 100 000 Menschen. Immer lauter wird seitdem der Ruf, das Mädchen für den Friedensnobelpreis zu nominieren, weil es auch »für all jene spricht, denen Bildung nur wegen ihres Geschlechts vorenthalten wird.« Malala, so ihr Vater, sei beseelt von einer Sehnsucht nach Frieden, Bildung und freier Meinungsäußerung.

In Pakistan setzten mehr als eine Million Menschen ihren Namen unter eine Petition, in der finanzielle Assistenz für Schulkinder aus armen Familien verlangt wird. Am gewichtigsten zählte da wohl das Signum von Staatspräsident Asif Ali Zardari. Denn kurz darauf verkündete die Regierung in Islamabad, dass drei Millionen Kinder aus den ärmsten Familien monatlich zwei Dollar erhalten werden, damit sie eine Grundschule besuchen können. Das Geld dafür kommt von der Weltbank und aus einem britischen Fonds.

Dass Pakistan auf diesem Gebiet einen enormen Nachholebedarf hat, belegt die Statistik: Das Land steht im globalen Bildungsentwicklungsindex auf dem 113. Platz von insgesamt 120. Nach offizieller Lesart sind 58 Prozent der über 175 Millionen Pakistaner schreib- und lesekundig, aber nur 36 Prozent der Frauen. Nicht zur Schule gehen fünf Millionen Kinder, davon über drei Millionen Mädchen. Bei den Heranwachsenden besuchen gar 7,2 Millionen keine Schule, davon sind 3,8 Millionen weiblich. Zu viele Schülerinnen und Schüler gehen bereits vor Erreichen der 8. Klasse ab, weil sie als Kinderarbeiter zur Existenzsicherung der Familien beitragen müssen oder weil die Mädchen ins heiratsfähige Alter kommen.

Nach Einschätzung des früheren britischen Premiers und jetzigen UN-Sonderbotschafters für globale Bildung und Erziehung, Gordon Brown, hat die Solidaritätsbewegung für Malala jedoch einen Durchbruch in der pakistanischen Gesellschaft bewirkt. Über die Notwendigkeit der Schulbildung auch für Mädchen bestehe nun ein nationaler Konsens.

* Aus: neues deutschland, Montag, 12. November 2012

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