Schlechte Kunde für Pakistans Herrscher
Musharrafs Gegner feiern juristischen Sieg
Von Hilmar König, Delhi *
Pakistans Regierung machen Unwetter im Nordwesten, Selbstmordattacken im Grenzgebiet zu
Afghanistan und die Wiedereinsetzung des im März von Präsident Pervez Mushrraf »suspendierten«
Chefrichters Iftikhar Chaudhry schwer zu schaffen.
Das Militär meldete am Sonntag (22.Juli), dass in der Region Nordwasiristan mindestens 13 Taliban-
Anhänger beim Angriff auf einen Armeeposten getötet worden seien. Die dortigen Stammesmilizen
kündigten vorige Woche ein Friedensabkommen mit Islamabad auf, das den Abzug der Soldaten
und ein gleichzeitiges Ende der Beherbergung militanter Taliban- und Al-Qaida-Kader vorsah. In
diesem und in anderen Gebieten nahe der afghanischen Grenze sind nach der blutigen Eroberung
der Roten Moschee in Islamabad bereits 180 Soldaten durch Selbstmordattacken auf Militärkonvois
ums Leben gekommen. General Musharraf versicherte, auf pakistanischem Gebiet Extremismus und
Terrorismus ausrotten zu wollen. Für diese Absicht erhielt er von USA-Präsident George Bush
postwendend ein Lob.
Washington signalisierte auch Bereitschaft, direkt in die Kämpfe gegen Stammesmilizen, Taliban
und Al Qaida einzugreifen. Das jedoch wurde von der Sprecherin des pakistanischen
Außenministeriums sofort abgelehnt. Alle »Antiterroraktivitäten« würden nur von pakistanischen
Sicherheitskräften vorgenommen. Das sei die Basis der Kooperation mit dem Pentagon. Zu dieser
Kooperation zählt auch die Absicht Washingtons, rund 300 Millionen Dollar in die Modernisierung
des pakistanischen Grenzkorps zu investieren, das überwiegend aus Angehörigen paschtunischer
Stämme besteht.
Über das Wochenende suchten Unwetter mit Sturm und Regen, Blitzschlägen, Überschwemmungen
und Erdrutschen Gebiete in der Nordwest-Grenzprovinz heim. Bis Sonntag waren 56 Leichen
geborgen worden. Die diesjährige Regenzeit hat bereits hunderte Menschen das Leben gekostet,
Hunderttausende obdachlos gemacht und enorme materielle Schäden verursacht.
An der politischen Front musste Präsident Musharraf am Freitag (20. Juli) eine schmerzliche Niederlage
quittieren. Der Höchste Gerichtshof erklärte die »Suspendierung« von Chefrichter Iftikhar Chaudhry
für illegal und ordnete dessen sofortige Wiedereinsetzung an. Erstmals in Pakistans 60-jähriger
Geschichte wurde damit die Entscheidung eines Militärherrschers revidiert. Die Juristen und große
Teile der Bevölkerung feierten das als Sieg ihrer immer mächtiger werdenden monatelangen
Kampagne gegen diesen im März inszenierten Willkürakt des Präsidenten. Sie zogen in Karatschi,
Lahore, Multan und anderen Städten durch die Straßen und riefen: »Geh, Musharraf, geh!«
Der Chef einer großen Anwaltsgruppe in Lahore, Zulfikar Bukhari, erklärte: »Unser Kampf für
wirkliche Demokratie, für das Recht und die Respektierung der Verfassung geht weiter.«
Am heutigen Montag (23. Juli) begehen alle Anwaltsverbände Pakistans einen »Danksagungstag«. Das Urteil
wurde in den Medien als »Meilenstein« und als »Geburt eins neuen Pakistans« bezeichnet.
»Gerechtigkeit wieder hergestellt. Geschichte neu geschrieben« titelte beispielsweise die größte
englischsprachige Zeitung »The News«. Generalmajor Rashid Qureshi, der Sprecher des
Präsidenten, erklärte, General Musharraf anerkenne die Entscheidung des Höchsten Gerichthofes.
* Aus: Neues Deutschland, 23. Juli 2007
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