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IWF-Kredite für Pakistan mit problematischen Auflagen

Noch mehr Arbeitslosigkeit? Noch mehr Armut? - Ein skeptischer Bericht von Muddassir Rizvi

Inmitten der hochexlosiven Krise mit Indien erhält Pakistan wenigsten neue Kredite vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Asiatischen Entwicklungsbank (AsDB). Doch die Freude darüber darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kredite an Bedingungen geknüpft sind, die sich als höchst problematisch für die Armutsbevölkerung auswirken können. Wir dokumentieren einen Artikel von Muddassir Rizvi (Pakistan) aus der jungen welt vom 15. Januar 2002.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Asiatische Entwicklungsbank (AsDB) haben Pakistan in den letzten Wochen neue Kredite gewährt. Die Militärregierung sieht darin eine Anerkennung ihrer bisherigen erfolgreichen Strukturmaßnahmen. Doch dem überwiegenden Teil der Bevölkerung drohen harte Zeiten, denn die regelmäßig mit IWF-Krediten verbundenen Auflagen laufen unter anderem auf Preiserhöhungen und Jobverluste hinaus. Eine solche Entwicklung ist fatal für ein Land, in dem schon jetzt 42 Millionen der insgesamt 140 Millionen Einwohner unterhalb der Armutsgrenze leben.

»Die Regierung mag ja makroökonomisch vernünftig gewirtschaftet und die Bedingungen vorangegangener Kredite rechtzeitig erfüllt haben«, meinte der Anwalt Nadir Altaf vom »Netzwerk für den Verbraucherschutz« in Islamabad. »Es ist ihr aber nicht gelungen, die große Armut im Land einzudämmen und die Indikatoren der sozialen Entwicklung zu verbessern.«

Aufgrund des zum 30. September 2001 abgelaufenen Kreditabkommens über 568 Millionen Dollar, dessen Bedingungen Pakistan zur Zufriedenheit des IWF erfüllt hatte, räumte der Währungsfonds Pakistan einen neuen Kredit ein, der angeblich der Armutsbekämpfung dienen soll.

Für zahlreiche Kritiker war jedoch die Wirtschaftspolitik der Regierung weit weniger erfolgreich, als dies IWF und offizielle pakistanische Stellen vorgeben. So war in einem Kommentar der englischsprachigen Tageszeitung Dawn zu lesen: »Wirklich erreicht hat die Regierung nur die Ausweitung der Rezession. Investoren wurden abgeschreckt, Arbeitsplätze gingen verloren. Die Staatseinnahmen sind nicht gestiegen, und das Budgetdefizit ließ sich nicht im gewünschten Umfang abbauen.«

Die meisten Kritiker fürchten, daß die Auflagen, die mit dem im Rahmen der IWF-Mittel zum Abbau der Armut eingeräumten Kredit über 1,32 Milliarden Dollar verknüpft sind, die Lebensbedingungen der Bevölkerung weiter verschlechtern. Das Gegenteil der beabsichtigten Armutsbekämpfung mit dem im Dezember unterzeichneten Kreditabkommen werde erreicht, selbst wenn man in diesem Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 3,8 Prozent rechnet.

Zu den von der pakistanischen Regierung akzeptierten Kreditauflagen gehören zwar auch Einschnitte im Militärbudget und mehr Ausgaben für die Wirtschaftsentwicklung. Zugleich aber sollen mehr Steuern erhoben und Subventionen für Strom und Grundnahrungsmittel wie Speiseöl und Margarine sowie für Medikamente abgebaut werden. Auch aus dem Agrarmarkt soll sich die Regierung zurückziehen.

Mit der Zusage Islamabads, den öffentlichen Dienst zu reformieren und staatliche Unternehmen zu privatisieren, droht zudem der Verlust vieler Arbeitsplätze. In diesem Jahr und 2003 sollen die staatlichen Telekommunikationsunternehmen drei Staatsbanken privatisiert werden. Auch die Wasser- und Energiebehörde wird dereguliert.

Drastisch sind auch die Bedingungen, die mit einem von der Asiatischen Entwicklungsbank gewährten 350-Millionen-Dollar-Kredit zur Reformierung der Landwirtschaft verbunden sind. Welches Ausmaß die geplanten landwirtschaftlichen Reformen haben, war einem Brief von Wirtschaftsminister Shaukat Aziz an den AsDB-Präsidenten zu entnehmen, der in der vergangenen Woche der Presse zugespielt worden war. Danach will die Regierung ihre 213-Millionen-Dollar-Subventionen für Exportweizen streichen, die Stützpreise für landwirtschaftliche Erzeugnisse aufgeben und nach und nach alle mit dem Agrarsektor befaßten Ministerien, Behörden und Korporationen schließen. Selbst die wichtigsten landwirtschaftlichen Forschungseinrichtungen sollen ihre Arbeit einschränken.

Unter diesen Plänen werden nach Ansicht von Aktivisten vor allem die armen Kleinbauern zu leiden haben. Sie machen 45 Prozent des Bevölkerungsanteils aus, der vom Agrarsektor lebt.

In der pakistanischen Landwirtschaft werden 24 Prozent des Bruttosozialproduktes des Landes erwirtschaftet und mehr als 60 Prozent der zehn Milliarden Dollar verdient, die jährlich an Devisen ins Land fließen. »Für die Menschen auf dem Land, die 70 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, ist eine solche Reform ein schwerer Schlag«, erklärte die »Aktionsgruppe für eine nachhaltige Landwirtschaft«, zu der sich Aktivisten und pakistanische Bauernorganisationen zusammengeschlossen haben. Die Gruppe rechnet damit, daß die großen internationalen Agrarkonzerne ihren Anteil an dem lukrativen Markt erweitern, wenn sich der Staat aus der Landwirtschaft zurückzieht.

Muddassir Rizvi (IPS)

Aus: junge welt, 15. Januar 2002


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