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Streit um Peanuts

Mehrheit der Pakistanis protestiert gegen US-amerikanisches "Hilfspaket". Dessen Umfang deckt nicht einmal die Folgekosten des Bürgerkriegs im Nordwesten des Landes

Von Knut Mellenthin *

Eigentlich sollte das gerade vom US-Kongreß verabschiedete »Hilfspaket« für Pakistan dort »die Herzen und Hirne der Menschen gewinnen«. Statt dessen herrscht in der pakistanischen Bevölkerung, im Parlament, in den Medien und in den Streitkräften des Landes Empörung über die mit dieser »Hilfe« verbundenen Bedingungen. Das US-Gesetz wird als Verletzung der pakistanischen Souveränität und als Einmischung in zentrale Angelegenheiten des Landes verurteilt. Die Opposition wirft der pakistanischen Regierung, die das Gesetz als großen außenpolitischen Erfolg darstellt, vor, den »Ausverkauf der Nation« zu betreiben. Besonders scharfe Angriffe richten sich gegen den Botschafter Pakistans in Washington, Husain Haqqani. Er soll zusammen mit den von ihm beschäftigten US-amerikanischen Lobby-Firmen maßgeblich an der Formulierung der in dem »Hilfspaket« enthaltenen Bedingungen mitgewirkt haben.

Das Gesetz, das die Mehrheit der Pakistanis in ihrem Zorn auf die USA bestärkt, heißt »Enhanced Partnership with Pakistan Act«. In Pakistan wird es meist nur nach seinen Initiatoren Kerry-Lugar-Bill genannt. Senator John Kerry, der demokratische Präsidentschaftskandidat von 2004, ist Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses des Senats. Richard Lugar ist der ranghöchste Vertreter der Republikaner im Ausschuß.

Kern des Gesetzes ist eine Finanzhilfe für zivile Zwecke. Sie beträgt 1,5 Milliarden Dollar jährlich und erstreckt sich über fünf Jahre, macht zusammen also 7,5 Milliarden aus. Das ist, wie in den USA unermüdlich und penetrant hervorgehoben wird, eine Verdreifachung der bisherigen zivilen Hilfe für Pakistan. Die pakistanischen Kritiker sprechen indessen von »Peanuts« und verweisen darauf, daß der Jahresbetrag von 1,5 Milliarden Dollar noch nicht einmal die Folgekosten des Bürgerkriegs im Nordwesten deckt, den die USA der pakistanischen Regierung aufgenötigt haben. Es ist kaum mehr als das, was die USA für eine einzige Woche Krieg in Afghanistan zahlen müssen. Ein Oppositionsabgeordneter sprach deshalb vom »billigsten Miete-eine-Nation-Abkommen aller Zeiten«.

Die Bedingungen, über die jetzt gestritten wird, beziehen sich allerdings nicht auf die zivile Finanzhilfe, sondern auf »sicherheitsbezogene Unterstützung«, für die im Kerry-Lugar-Gesetz kein Beitrag festgelegt ist. Es heißt dort lediglich, daß Pakistan künftig keinerlei Militärhilfe mehr erhalten darf, sofern das US-Außenministerium nicht einmal jährlich bestätigt, daß eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sind. Diese betreffen unter anderem die Beendigung der von den USA unterstellten Unterstützung des pakistanischen Militärs und Geheimdienstes für »extremistische und terroristische Gruppen« sowie die Verschärfung des Bürgerkriegs in den sogenannten Stammesgebieten des Nordwestens. Ausdrücklich gefordert wird von der pakistanischen Regierung auch die Ausweitung der Aufstandsbekämpfung auf »andere Teile des Landes«. Namentlich genannt wird in diesem Zusammenhang Quetta, die Hauptstadt der Provinz Belutschistan. Dies ist indessen eine von den USA schon länger gestellte Forderung, der sogar pakistanische Regierungskreise entschieden widersprechen.

Einer jüngst veröffentlichten Umfrage des Pew Research Center zufolge haben nur 16 Prozent der Pakistanis eine günstige Meinung über die USA, und nur 13 Prozent setzen Vertrauen in Obama. Die Kerry-Lugar-Bill wird das Ansehen der US-Politik in Pakistan nicht verbessern.

* Aus: junge Welt, 10. Oktober 2009

49 Tote bei Selbstmordanschlag in Pakistan

Peshawar. Ein Selbstmordattentäter hat in der nordwestpakistanischen Stadt Peshawar am 9. Oktober 49 Menschen mit in den Tod gerissen und mehr als 100 weitere verletzt. Der Anschlag war der schwerste in Pakistan in den vergangenen sechs Monaten. Der Täter sei in einem Kleinbus in die Nähe des Khyber-Basars gefahren, wo das Fahrzeug explodierte, so die Polizei. Das Auto sei mit »einer riesigen Menge Sprengstoff und Artilleriemunition« vollgepackt gewesen, sagte der Polizeichef von Peshawar, Liaqat Ali Khan. Die Stadt liegt nahe der Grenze zu Afghanistan am Khyber-Paß, einer zentralen Straßenverbindung nach Kabul. Zunächst bekannte sich niemand zu der Bluttat. Unter den Todesopfern waren nach Angaben eines Arztes sieben Kinder. Nach dem Anschlag wurde eine Großoffensive der pakistanischen Truppen gegen Aufständische in der Region Südwasiristan wahrscheinlicher. Innenminister Rehman Malik erklärte, die Regierung habe jetzt keine andere Möglichkeit mehr.
(junge Welt, 10. Oktober 2009)




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