Damoklesschwert über Musharraf und Bhutto
Oberstes Gericht Pakistans entscheidet über Präsidentenwahl / Rückkehr der Ex-Premierministerin?
Von Hilmar König, Delhi *
Zwei Ereignisse können in den nächsten Tagen die politische Landschaft in Pakistan nachhaltig
beeinflussen. Involviert sind Präsident General Pervez Musharraf und Ex-Premierministerin Benazir
Bhutto. Über beiden hängt sozusagen das Damoklesschwert.
Am Obersten Gericht beginnt am heutigen Mittwoch (17. Okt.) die Anhörung der Petitionen, in denen
Musharrafs Teilnahme an den Präsidentenwahlen vom 6. Oktober als verfassungswidrig bezeichnet
wird, weil er in Uniform als Chef der Streitkräfte kandidierte. Unter Boykott und
Abstimmungsenthaltung der Opposition hatte er die meisten Stimmen bekommen. Das Ergebnis ist
inoffiziell, denn ob er als Staatsoberhaupt installiert wird, hängt vom Urteil der Richter ab. Bei einer
für ihn positiven Entscheidung würde er am 15. November seine Uniform an den Nagel hängen und
fortan ziviler Präsident sein. Jedenfalls hat er das mehrfach beteuert. Dass er ein Urteil gegen ihn
hinnehmen würde, zweifeln viele an. Beobachter schließen für einen solchen Fall die Verhängung
des Kriegsrechts nicht aus.
Unsicherheiten lässt sich der General bislang nicht anmerken. Selbstsicher rief er zum Id-Fest am
Ende des Ramadans seine Landsleute auf, »am Geist der Demokratie festzuhalten«. Den Politikern
empfahl er Toleranz. Er schlug ein Minimalprogramm vor, auf das sich alle politischen Kräfte einigen
sollten: Ausrottung von Extremismus und Militanz, Förderung der Wohlfahrt, Sicherung des
ökonomischen Fortschritts, Schutz der strategischen Interessen Pakistans sowie Streben nach
Frieden und Stabilität.
Die spannende Entwicklung wird vom Westen mit zwiespältigen Gefühlen verfolgt. Einerseits ist man
nicht erbaut von Musharrafs bisherigem Demokratieverständnis. Andererseits braucht ihn
Washington als unverzichtbaren Partner im »Krieg gegen den internationalen Terrorismus«. Die in
den letzten Wochen enorm gestiegenen Verlustzahlen bei den Kämpfen im afghanischpakistanischen
Grenzgebiet deuten an, dass er entschlossen ist, das Vertrauen des Pentagon und
der NATO zu rechtfertigen.
So wie Musharrafs Zukunft momentan mit einem Fragezeichen versehen ist, bleibt bis zur Stunde
auch ungewiss, ob die ehemalige Premierministerin Benazir Bhutto am Donnerstag, wie geplant, aus
dem Exil zurückkehrt. Die Regierung kündigte ein Sicherheitsaufgebot von 3500 Mann an. In ihrer
Heimatstadt Karatschi ist man auf einen frenetischen Empfang vorbereitet: Losungen, Poster mit
ihrem Konterfei, Girlanden, Willkommens-Graffiti schmücken bereits Straßen und Plätze. Die
Pakistanische Volkspartei (PPP), deren Vorsitzende Frau Bhutto ist, rechnet mit rund einer Million
Menschen. Sie sind schon aus allen Landesteilen nach Karatschi unterwegs.
Zugleich aber steht nach wie vor der »Rat« von General Musharraf im Raum, die Politikerin sollte mit
ihrer Heimkehr warten, bis das Oberste Gericht in seinem Fall sowie über eine in der vorigen Woche
verabschiedete »Vereinbarung über nationale Aussöhnung« entschieden hat. Das Papier war von
der PPP und der Regierung ausgearbeitet worden und enthält einen wichtigen Passus über
Amnestie für Politiker.
Das Gericht hat zu beurteilen, ob Frau Bhutto unter diese Amnestie fällt. Außerdem gibt es etliche
Morddrohungen gegen sie. Eisenbahnminister Sheikh Rashid warnte davor, dass Extremisten und
andere Gruppen nur darauf warteten, Pakistans »Übergang zur Demokratie« zu unterbrechen.
Wasser auf deren Mühlen sei eine Rückkehr der »BB« zum jetzigen Zeitpunkt. Trotz allen Abratens
weiß Benazir Bhutto, dass ihr Image auf dem Spiel steht, wenn sie in der gegenwärtigen Situation –
bis spätestens Mitte Januar 2008 müssen Parlamentswahlen stattfinden – kneift. Selbst in ihrer
Partei nehmen ihr viele Mitglieder übel, dass sie die Versöhnungsvereinbarung mit Musharraf
getroffen hat. Nur wenn sie im Land ist, kann sie aktiv in die Politik eingreifen, sich erneut profilieren
und vor allem jeden Zweifel über ihre Absichten zerstreuen.
* Aus: Neues Deutschland, 17. Oktober 2007
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