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Mehr Mittel für Pakistan nötig

UNO: Mit "großer Wahrscheinlichkeit" acht Millionen direkt betroffen

Die von den Vereinten Nationen geforderten knapp 460 Millionen Dollar Nothilfe für die Flutopfer in Pakistan reichen voraussichtlich nicht aus.

Es gebe eine »große Wahrscheinlichkeit«, dass mehr Mittel benötigt würden, so der Sprecher des UN-Büros zur Koordinierung humanitärer Angelegenheiten in Islamabad, Maurizio Giuliano. Er sagte, nach neuen Schätzungen bräuchten acht Millionen Menschen in Pakistan dringend Hilfe – zwei Millionen mehr als bisher angenommen. Von den bislang beantragten knapp 460 Millionen Dollar hätte die UNO inzwischen mehr als die Hälfte erhalten. Neben den 231 Millionen Dollar, die eingegangen seien, gebe es Zusagen über weitere gut 41 Millionen Dollar.

Spendenaufruf

"Nach anfänglich grosser Zurückhaltung der Schweizer bezüglich der Naturkatastrophe in Pakistan fliessen jetzt die Spendengelder reichlicher", weiß die Neue Zürcher Zeitung am 13. August zu berichten. In Deutschland herrscht leider weiterhin allergrößte Zurückhaltung. Dabei gibt es wirklich seriöse Organisationen, die für eine sachgerechte Verwendung der Spenden stehen. Wir empfehlen weiterhin das auch von medico international empfohlene Spendenkonto:
Konto-Nr.: 51 51
Bank für Sozialwirtschaft; BLZ 370 205 00
Stichwort: Pakistan



Die Bundesregierung stockte ihre finanzielle Unterstützung für die Hochwasseropfer noch einmal auf. Die Gelder werden von bisher 15 Millionen Euro auf 25 Millionen erhöht, wie Außenminister Guido Westerwelle mitteilte. Deutschland beteiligt sich auch an internationalen Hilfsmaßnahmen und stellt nach Regierungsangaben damit insgesamt 68 Millionen Euro zur Verfügung. Kanzlerin Angela Merkel sicherte dem pakistanischen Premier Yousouf Raza telefonisch auch langfristig deutsche Unterstützung beim Wiederaufbau zu.

Bei einer Konferenz bei den Vereinten Nationen in New York wollte am Donnerstag UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon sprechen. Zu der Tagung in New York, die eine reguläre Sitzung des UNO-Parlaments ist, wurde auch US-Außenministerin Hillary Clinton erwartet.

Bereits am Mittwoch (18. Aug.) hatten die USA angekündigt, ihre finanzielle Unterstützung für Pakistan nochmals aufzustocken. Die USA hätten für die Bewältigung der Flutkatastrophe bisher etwa 90 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt, hieß es in einer Mitteilung.

Unterdessen drängte die US-Regierung die pakistanische Regierung dazu, die vom »Erzfeind« Indien angebotene Fluthilfe anzunehmen. »Bei der Reaktion auf eine Katastrophe sollte Politik keine Rolle spielen«, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Philip Crowley, in Washington. Indien hatte dem verfeindeten Nachbarland in der vergangenen Woche Hilfsgüter im Wert von 5 Millionen Dollar angeboten. Aus dem indischen Außenministerium hieß es am Donnerstag: »Wir warten immer noch auf eine Antwort.«

Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) kündigte am Donnerstag ein 2-Milliarden-Dollar-Paket für Nothilfe und Wiederaufbau an. Juan Miranda, ADB-Generaldirektor für Zentral- und Westasien, sagte bei einem Besuch in Islamabad: »Das ist eine bislang noch nie da gewesene Katastrophe. Und deswegen muss auch unsere Antwort eine noch nie da gewesene sein, entsprechend dem Bedarf und schnell.«

Die von der EU vorgeschlagenen internationale Geberkonferenz für Pakistan könnte Mitte Oktober in Brüssel stattfinden. Ein genauer Termin stehe jedoch noch nicht fest, sagten EU-Diplomaten.

Wegen verschmutzten Trinkwassers bei der Flut starben drei weitere Kinder in einem Auffanglager an Krankheiten. Es habe sich um zwei Jungen und ein Mädchen im Alter zwischen zweieinhalb und sechs Jahren gehandelt, sagte der Sprecher der pakistanischen Hilfsorganisation Edhi, Qamar Abbas. Zu den Todesfällen sei es in einem Lager in der südpakistanischen Hafenstadt Karatschi gekommen. »Diese Todesfälle sind ein Grund für große Sorge für uns«, so Abbas. Hilfsorganisationen befürchten wegen des Mangels an sauberem Wasser den Ausbruch von Seuchen im Katastrophengebiet.

Nach Schätzungen sind 15,4 Millionen Menschen von der Flut betroffen, etwa die Hälfte davon seien Kinder. Laut Angaben der Katastrophenschutzbehörde NDMA zufolge wurden bei dem Hochwasser 1491 Menschen getötet und 2052 weitere verletzt. Fast eine Million Häuser wurden zerstört.

Ungeachtet der Flutkatastrophe in Pakistan ist es im Nordwesten des Landes zu Gefechten zwischen Taliban-Kämpfern und Sicherheitskräften gekommen. Der Sprecher der paramilitärischen Grenztruppen, Major Fazal Ur Rehman, sagte, acht Aufständische und ein Soldat seien dabei getötet worden. Taliban hätten im Stammesgebiet Orakzai an der afghanischen Grenze eine Kontrollstelle der Sicherheitskräfte angegriffen, so der Sprecher. Als »Vergeltungsmaßnahme« hätten Kampfjets zwei Stellungen der Taliban bombardiert und zerstört. Die Sicherheitskräfte gehen seit Ende März gegen Extremisten in Orakzai vor. Dabei sind nach offiziellen Angaben Hunderte Aufständische und Dutzende Soldaten getötet worden. Zu Beginn der Fluten in der Region Ende vergangenen Monats waren die Gefechte für rund zwei Wochen abgeflaut.

* Aus: Neues Deutschland, 20. August 2010


Gefechte trotz Flutkatastrophe

Pakistan: Aufständische greifen Polizisten an. Zardari zu Treffen in Rußland **

In Pakistan gehen in einigen, nicht direkt von der Flutkatastrophe betroffenen Regionen die militärischen Auseinandersetzungen weiter. So griffen nach Angaben der Polizei am Mittwoch Aufständische mehrere Polizeiposten an und töteten zwei Mitglieder einer von der Regierung angeworbenen Miliz. Das geschah am Dienstag abend in Peschawar. Nach Angaben von Polizeichef Liagat Ali Khan hätten in den darauffolgenden Stunden »zahlreiche Islamisten« aus der Stammesregion Khyber an der afghanischen Grenze Uniformierte angegriffen. Es sei zu einem einstündigen Feuergefecht gekommen, sagte Khan. Mehrere Aufständische wurden seinen Angaben zufolge getötet. Unter den Polizisten habe es keine Opfer gegeben.

Offensichtlich versuchten die Rebellen, einen Vorteil aus der infolge der Überschwemmungen entstandenen zugespitzten Lage zu ziehen und die strategisch wichtige Millionenstadt Peschawar am östlichen Ende des Khyber-Passes grenznah zum NATO-besetzten Afghanistan anzugreifen, doch sei »die Polizei vollständig in Alarmbereitschaft«, sagte Khan. In den von der Flutkatastrophe betroffenen Gebieten seien derzeit auch 60000 Soldaten im Einsatz. Viele von ihnen würden »normalerweise gegen Aufständische kämpfen« oder »bereits erobertes Gebiet verteidigen«.

Von der Flut betroffen sind 20 Millionen Menschen, das entspricht einem von neun Einwohnern. Die Vereinten Nationen baten in der vergangenen Woche um Spenden in Höhe von 459 Millionen Dollar für das Land. 40 Prozent der Summe gingen nach Angaben eines Sprechers bisher ein. Die pakistanischen Taliban haben die Menschen aufgefordert, keine ausländische Hilfe anzunehmen. Pakistans Präsident Asif Ali Zardari machte sich unterdessen am Mittwoch auf den Weg nach Rußland, wo er in Sotschi am Schwarzen Meer an einem regionalen Gipfeltreffen über die »Sicherheit am Hindukusch« teilnehmen wollte. Sein Aufenthalt sollte allerdings nur wenige Stunden dauern. Zardari war heftig kritisiert worden, weil er zu Beginn des Hochwassers eine Europareise nicht abgebrochen hatte.

Nun wurde er vom russischen Präsidenten Dmitri Medwedew empfangen, wie die Regierung in Moskau am Mittwoch mitteilte. Einzelheiten wurden nicht bekannt. Zudem kam Zardari mit Afghanistans Präsidenten Hamid Karsai zu einem Vier-Augen-Gespräch zusammen. Die Regierung in Kabul hatte dem pakistanischen Geheimdienst mehrfach vorgeworfen, den »Taliban-Aufstand« zu unterstützen, und damit die Regierung in Islamabad erzürnt. (AFP/apn/jW)

** Aus: junge Welt, 19. August 2010


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