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Wie geht es den Opfern der Flut?

GIZ-Experte Hans Steinmann über den Wiederaufbau in Pakistan *


ND: 20 Millionen Menschen wurden vor einem Jahr durch die Flut in Pakistan vertrieben. Wie steht es inzwischen um die Basisversorgung der Betroffenen?

Steinmann: Die Situation stellt sich in den verschiedenen Provinzen des Landes unterschiedlich dar. In der Nordwest-Provinz, die zuerst betroffen war, hat sich die Lage normalisiert. Wiederaufbaumaßnahmen sind im Gange, allerdings noch lange nicht abgeschlossen. Je weiter man nach Süden kommt, um so kritischer wird die Situation, was Unterkunft und Verpflegung angeht. Am schlimmsten ist die Provinz Sindh betroffen: Weil das Land dort flach ist, blieb das Wasser noch bis April/Mai stehen.

Wie geht es den Menschen gesundheitlich?

Die Gesundheit der Menschen ist angegriffen, vor allem im Süden, in den Provinzen Punjab und Sindh. Wegen verunreinigtem Trinkwasser gibt es zahlreiche Infektionskrankheiten. Immer wieder tauchen Cholera-Fälle auf.

Was wird getan, damit die Betroffenen mit Trinkwasser versorgt sind?

Wir haben aus unserem Gesundheitsprogramm der Bundesregierung Mittel für Soforthilfe zu Verfügung gestellt und Wasserfilter besorgt. Ein Familienfilter kann Wasser für fünf Personen liefern. Sauberes Trinkwasser war das dringlichste Problem. Die Nahrungsmittel- und Medikamentenversorgung war nicht so dramatisch. Es waren genügend Nahrungsmittel und Medikamente da, zumindest um einen gewissen Zeitraum abzudecken.

Sind das Nahrungsmittel aus Hilfsprojekten oder können die Bauern ihre Felder bestellen?

Im Nordwesten und in Punjab wird wieder angebaut. In Sindh liegen die Felder noch brach. Ein Viertel des Landes war von der Flut betroffen, doch es gibt noch andere Anbaugebiete. Von dort kommen die Nahrungsmittel. Direkt nach der Katastrophe wurden viele Nahrungsmittel eingeführt.

Wie steht es um Unterkünfte und die Infrastruktur?

Unterkünfte sind noch immer ein Problem. Die Menschen wollten nicht in Zelte ziehen, sondern in ihren Häusern bleiben, auch wenn die zerstört waren. Dächer und Wände waren eingestürzt. Auch die Zelte waren knapp. Die Menschen haben auf der Straße übernachtet. In Sindh gibt es noch viele Obdachlose, dort sind auch die Lebensmittel knapp. In den Provinzen, wo das Wasser gut abgeflossen ist, konnten die Wiederaufbaumaßnahmen frühzeitig umgesetzt werden. In den Regionen, die von der Flut schwerer betroffen waren, wird der Wiederaufbau jetzt vorangetrieben: Straßen, Häuser, Brücken und Entwässerungskanäle werden repariert.

Bei uns war zu hören, die pakistanische Regierung sei überfordert. Die Taliban und westliche Organisationen würden um die Wette helfen. Gleichzeitig soll die Spendenbereitschaft des Auslands wegen der Taliban nicht so hoch gewesen sein. Stimmt das?

Das sind vor allem Spekulationen. Die Katastrophe war so gewaltig, da wäre jede Regierung überfordert gewesen. Die ausländische Soforthilfe lief schleppend an, wahrscheinlich aus Angst, dass das Geld in die falschen Hände kommt. Die Taliban haben intensive Hilfsaktionen durchgeführt.

Was bringt der jetzige Monsun?

Es wird vermutet, dass nur die Hälfte des Regens genauso viel Schaden anrichten könnte wie die große Flut des letzten Jahres. Denn die Wiederaufbau- und Sicherungsmaßnahmen sind noch nicht abgeschlossen.

Fragen: Antje Stiebitz

* Hans Steinmann leitet das Gesundheitsprogramm der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Pakistan.

Aus: Neues Deutschland, 23. Juli 2011



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