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Fata Morgana am Indus

General Musharraf will Pakistan zur "Festung von Demokratie und Frieden" machen

Von Hilmar König, Neu Dehli *

Ein rosiges Bild vom Pakistan der Zukunft malte Präsident General Pervez Musharraf am Wochenende in einer Botschaft zum Nationalfeiertag. Er werde das Land zu »einer uneinnehmbaren Festung der Demokratie, des Friedens und des Fortschritts« machen. Der Kontrast zur Gegenwart könnte schärfer nicht sein, lieferte Musharraf doch selbst das jüngste Beispiel für den »Reifegrad« der Demokratie. Am 9. März hatte er, die Verfassung mißachtend, den Obersten Richter des Landes, Iftikhar Muhammad Chaudhry, »suspendiert«. Die Empörung darüber hält landesweit an: Richter haben ihre Ämter niedergelegt, befinden sich im Hungerstreik, ziehen auf Demonstrationen durch die großen Städte, boykottieren die Gerichte. Unterstützung erhalten sie von allen Oppositionsparteien. Die haben für diese Woche eine Serie von Massenprotesten angekündigt.

In dieser explosiven Situation wurde am Samstag der 64 Jahre alte Jurist Rana Bhagwandas in Karachi als amtierender Oberster Richter Pakistans vereidigt. Zum ersten Mal in der Geschichte der islamischen Republik ist damit ein Angehöriger der hinduistischen Minderheit Chef des höchsten Gerichtshofes. Bhagwandas steht vor keiner beneidenswerten Aufgabe. Von ihm wird es wesentlich abhängen, ob die Anschuldigungen gegen Richter Chaudhry zu dessen legaler Absetzung führen oder dieser zurück ins Amt kehrt. Pakistans Justiz werde die Nation nicht enttäuschen, äußerte Bhagwandas inzwischen. Er wolle alles tun, um Unabhängigkeit und Würde der Rechtsprechung zu gewährleisten.

Nicht kürzer als der Weg zur Demokratie dürfte der zum Frieden sein. Innerhalb von drei Tagen kamen in der vorigen Woche bei Kämpfen zwischen paschtunischen Stammesmilizen und ausländischen Dschihadis in der Re­gion Wasiristan, der Nordwestgrenz-Provinz, über 150 Menschen ums Leben. Immer wieder gibt es bei Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten Dutzende Tote. Und keine Rede von Frieden kann in der Provinz Belutschistan, im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet oder in der Kaschmir-Region sein.

Bleibt der von General Musharraf beschworene Fortschritt. Der manifestiert sich vor allem im Militär, in einer Serie von Raketentests und teurem modernen Kriegsgerät, das die USA ihrem »Schlüsselpartner« im Kampf gegen den »internationalen Terrorismus« gern zur Verfügung stellt. In den ländlichen Gebieten hingegen, wo die Mehrheit der Bevölkerung lebt, warten die Armen, Analphabeten und Vernachlässigten auch im 60. Jahr der staatlichen Selbständigkeit auf den Fortschritt.

* Aus: junge Welt. 26. März 2007


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