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Druck auf Pakistan

USA verlangen von Islamabad, neue Kampffronten gegen Taliban zu eröffnen. Stamm der Mehsud unterwirft sich erpresserischen Bedingungen der Zentralregierung

Von Knut Mellenthin *

Die pakistanische Regierung ist derzeit nicht bereit, dem Drängen der USA zu folgen und neue Kampffronten gegen die Taliban und andere bewaffnete Gruppen zu eröffnen. Ein zweitägiger Besuch von US-Verteidigungsminister Robert Gates in Islamabad endete am Freitag voriger Woche ohne entsprechende Zusagen. Washington will vor allem erreichen, daß Pakistan die Offensive in den sogenannten Stammesgebieten auch auf Nordwasiristan ausweitet. Außerdem verlangen die Amerikaner pakistanische Militäroperationen in der bisher vom Bürgerkrieg verschonten Provinz Belutschistan, in der sich angeblich ein Hauptquartier der afghanischen Taliban befindet. Die pakistanische Regierung bestreitet das und betont, daß die USA bisher keine konkreten Informationen zur Erhärtung dieser Behauptung geliefert hätten.

Reaktion auf Robert Gates

Offenbar als Reaktion auf die Forderungen von Gates erklärte der pakistanische Armeesprecher Generalmajor Athar Abbas am Donnerstag, daß zwischen sechs und zwölf Monaten erforderlich seien, um die Erfolge der Feldzüge des vergangenen Jahres in Südwasiristan und Swat zu konsolidieren. Die Streitkräfte seien bereits »überbeansprucht« und würden deshalb in diesem Jahr keine größeren neuen Militäroperationen beginnen.

Was die pakistanische Regierung unter »Konsolidierung« versteht, demonstriert sie derzeit in Südwasiristan. Dem dort lebenden Stamm der Mehsud hat sie eine Reihe von Bedingungen gestellt, die unter anderem Voraussetzung für die Erlaubnis zur Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimatorte sein sollen. Nach Angaben der UNO handelt es sich dabei um 290000 Menschen.

Die Regierung hatte den Mehsud bis zum 20. Januar eine Frist gesetzt, ihre Forderungen zu akzeptieren. Kurz vor Ablauf des Ultimatums unterwarf sich am Mittwoch voriger Woche eine Versammlung der Stammesältesten, an der etwa 300 Männer teilnahmen, allen Bedingungen. Wie repräsentativ diese Runde war und wie verbindlichen ihre Beschlüsse sind, ist allerdings ungewiß.

Zu den Bedingungen der Regierung gehörten unter anderem: Auslieferung von 378 (nach anderen Angaben 392) namentlich genannten Stammesmitgliedern, darunter der Führer der wichtigsten regionalen Organisation Tehrik-e-Taliban Pakistan, Hakimullah Mehsud. Keine Gewährung von Unterkunft für ausländische Kämpfer und gesuchte Personen. Verbot des Waffentragens; nach anderen Angaben hauptsächlich die Abgabe schwerer Waffen. Akzeptierung des Rechts der Regierung, Kollektivstrafen über Familien, Großfamilien und Stämme zu verhängen. Diese international geächtete Praxis ist in den »Stammesgebieten« durch Gesetze abgesichert. Garantie, in ihrem Gebiet keine parallele Verwaltung und Rechtsprechung zuzulassen. Unterstützung der staatlichen Sicherheitskräfte im Kampf gegen die Taliban.

Millionen Flüchtlinge

Wie die Stammesältesten insbesondere der Forderung nach Auslieferung von Hakimullah Mehsud und anderen Taliban praktisch nachkommen wollen, ist bisher unklar. Den Presseberichten zufolge ist allerdings wegen der Wetterverhältnisse in Südwasiristan vor April ohnehin nicht mit einer Rückkehr der Flüchtlinge zu rechnen. Insgesamt geht die UNO von über einer Million Bürgerkriegsflüchtlingen in Pakistan aus. Diese Zahl bezieht sich aber nur auf diejenigen, die von der UNO registriert sind und Hilfsleistungen erhalten. Auf dem Höhepunkt der Militäroperationen im vorigen Jahr wurde die Zahl der Flüchtlinge auf mindestens 2,5 Millionen, vielleicht sogar über drei Millionen geschätzt. Die meisten fanden bei Verwandten und Stammesangehörigen Aufnahme und Unterstützung.

* Aus: junge Welt, 26. Januar 2010


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